Eidg. Institut für Geistiges Eigentum

Einsteinstrasse 2

3003 Bern
 
 

Bern, 31.10.2004

 
Vernehmlassungsantwort zur Patentgesetzrevision
 

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte
Sehr geehrte Damen und Herren

Wir danken für die Einladung zur zweiten Vernehmlassung und nehmen wie folgt Stellung:
 

Grundsätzliche Ablehnung

Die Ausdehnung der Patentierbarkeit auf Lebewesen oder Teile davon lehnen wir aus
ethischen, gesellschaftpolitischen, ökonomischen, ökologischen und rechtlichen
Überlegungen grundsätzlich ab.

Durch die Patentierung von Lebewesen oder Teilen davon wird das, was "Leben"
definiert, fundamental entwürdigt (Verletzung der Würde der Kreatur, Verstoss gegen
BV!) und Maschinen oder Maschinenteilen gleichgesetzt.

Patentansprüche und die damit verbundenen Ausschlussrechte über biologisches
Material, das sich selbständig vermehren kann erschüttern in ihrer Auswirkung die
ganze Gesellschaft.
 

Schutz durch Geheimhaltung?

In einem so komplexen, "technischen" Umfeld, in welchem sich die Gentechnik und ihre
Produkte bewegen, wäre doch zu erwarten, dass die "Erfindungen" bereits durch
blosse Geheimhaltung genügend geschützt werden könnten.
Wenn die Industrie es nicht zustande bringt, ihre "Erfindungen" durch Geheimhaltung
zu schützen, wie sollte es denn der Gesellschaft möglich sein, bei einer patentierten,
offengelegten und geografisch verbreiteten Erfindung, die sich auch ohne
menschliches Zutun und technische Unterstützung selbständig (!) reproduzieren kann,
die Verbreitung und mögliche Nutzung durch Dritte zu unterbinden?

Die bisherigen internationalen Erfahrung mit der Patentierung von "Leben"
(Biopiraterie, Klagen von Konzernen gegeneinander, Prozesse gegen unbescholtene
Landwirte) zeigen, dass dieses Ansinnen bisweilen an Menschenrechtsverletzungen
grenzt oder solchen gleichzusetzen ist. Damit verstösst die Patentierung bereits gegen
die öffentliche Ordnung und die guten Sitten.

Im Übrigen verweisen wir auf unsere Argumente in der ersten Vernehmlassung:

Lebewesen und deren Bestandteile sind keine Erfindungen.
Die eigentliche, ursprüngliche "Erfinderin" ist in jedem Fall die Natur. Es kann
niemandem zustehen, das alleinige Nutzungsrecht auf Entdeckungen zu
beanspruchen.

Das "Verfahren" der Reproduktion
Alles, was sich selbständig reproduziert - und das sind per Definition die
Lebewesen - kann keiner geistigen Leistung irgendeines Erfinders entspringen. Die
natürliche Reproduktion ist ein historisches und allgemein verfügbares "Verfahren".

Patentierung schädigt die Gesellschaft materiell
Durch den Ausschluss der Gesellschaft von der Nutzung patentierter
Lebenselemente wird die Allgemeinheit ideell und materiell geschädigt. Eine
gleichwertige Gegenleistung durch den Patentinhaber besteht im allgemeinen nicht.

Missbrauch des Patentrechts
Patentierte Eigenschaften können sich durch Zufall, technisch nicht vermeidbare
Prozesse, mutwillig oder durch Verletzung der Sorgfaltspflicht des Patentinhabers
weiterverbreiten. Hier verkommt das Patentrecht zu einem Missbrauchsrecht.

(Erste Vernehmlassung detaillliert unter https://forumgenau.tripod.com/patentge.htm)
 

"Schadensbegrenzung"

Da die obige Haltung vermutlich im Parlament zur Zeit nicht mehrheitsfähig ist, muss
mit einer Schadensbegrenzung im Gesetz das Möglichste erreicht werden. Wir
unterstützen deshalb die Anträge der SAG zu einzelnen Artikeln.
Insbesondere halten wir es für zwingend, dass zumindest die Verbesserungen in
unserem Sinn gegenüber dem ersten Entwurf beibehalten werden.
 

Antrag zu Art. 26 Abs. 1

Bst. a müsste doch wohl lauten:
Abs 1: "Der Richter stellt auf Klage hin die Nichtigkeit des Patents fest, wenn:
a)
"der Gegenstand des Patents nach den Artikeln 1 oder 2 nicht patentierbar ist;"
 
 

Zu Ihren Fragen und dem Fehlen der Befugnisse der EKAH

Patentrechtliche Tragweite der informierten Zustimmung bei Entnahme von
biologischem Material
Wir vertreten klar die erste Lehrmeinung gemäss Erläuterungsbericht (2.1.2.6). Das
Erschleichen von biologischem Material muss den Ausschluss der Patentierung
bewirken können, da es dabei um eine würdelose Handlung geht, genau wie die
Verletzung der guten Sitten durch eine Erfindung selbst.

Ethikkommission EKAH (Ziff. 2.1.2.7 Erläuterungsbericht)
Wir widersprechen entschieden der Haltung der Bundesrats, dass die Frage der
Patentierbarkeit einer (biotechnologischen) "Erfindung" ausschliesslich in der
Verantwortung des IGE bleiben soll. Es genügt auch nicht, dass die EKAH in
"exemplarischen" Fällen gemäss GTG das Recht haben soll, sich zu äussern.
Das "Aussperren" dieser Ethikkommission aus dem Patentrecht ist nicht
sachgerecht.
Das Europäische Patentamt wurde in der Vergangenheit nicht müde, seine teils auf
fragwürdigste Weise gewährten Patente für biotechnische "Erfindungen" mit dem
Kommentar zu versehen, es wolle nicht über die ethische Relevanz oder die
gesellschaftliche Tragweite einer Erfindung oder eines derartigen Patents befinden,
das müsse die Gesellschaft leisten!
Wer anders als eine Ethikkommission soll denn fundiert darüber urteilen können, ob
die Würde der Kreatur, die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten - und damit
die Werthaltung einer Gesellschaft schlechthin - durch eine Erfindung bzw. deren
Patentierung tangiert wird oder nicht?
=> Antrag für einen neuen Artikel:
"Patentanträge im Bereich Biotechnologie werden der EKAH zu Stellungnahme
vorgelegt. Sie berät das IGE insbesondere in Bezug auf Art. 2 Abs. 3 PatG. Sie
kann ihre Mehrheits- und Minderheitsmeinung veröffentlichen."

Zweckbindung Stoffschutz bei Gensequenzen
-> wir schliessen uns der Stellungnahme der SAG an.

Offenlegung der Quelle von genetischen Ressourcen
-> wir schliessen uns der Stellungnahme der SAG an.
 
 
 

Mit freundlichen Grüssen

Forum GenAu

T. Schneeberger

Sekretär