Eidg. Institut für Geistiges Eigentum

Einsteinstrasse 2

3003 Bern
 
 

Bern, 30.4.2002

 
Vernehmlassungsantwort zur Patentgesetzrevision
 
 

Sehr geehrte Frau Bundesrätin Metzler
Sehr geehrte Damen und Herren

Wir danken für die Einladung zur Vernehmlassung und nehmen zur Revision des Patentgesetzes wie folgt Stellung:
 
 

Grundsätzliches

Wir lehnen die Patentierung jeglicher Lebewesen und Teilen davon aus ethischen, gesellschaftpolitischen, ökonomischen, ökologischen und rechtlichen Überlegungen grundsätzlich ab.

Durch die Patentierung von Lebewesen oder Teilen davon würde das Leben schlechthin in beispielloser Weise entwürdigt und Maschinen oder Maschinenteilen gleichgesetzt.

Den Entwurf des revidierten Patentgesetzes erachten wir als Fehlleistung. Es ist ein asoziales Gesetz, da die Gesellschaft keine Gegenleistung erhält. Es geht offensichtlich ausschliesslich um den Schutz von Partikulärinteressen eines spezialisierten Industriezweigs, dies auf Kosten der gesamten Gesellschaft. Das Gesetz kann sich auf keinen gesellschaftlichen Konsens abstützen.

Zudem sind im Entwurf keine Massnahmen gegen den Missbrauch des Patentrechts auszumachen.
 
 

Lebewesen sind keine Erfindungen

Es ist unumstritten, dass geistige Leistungen von Menschen honoriert und geschützt werden sollen. Dies ist mit den heutigen Gesetzen möglich, sei es, dass jemand eine Maschine entwickelt oder ein Musikstück komponiert.

Neu will der Bundesrat Organe, Zellen oder Erbgut von Lebewesen zu patentierbarem geistigen Eigentum machen. Die Nutzung dieser "Sachen" würde dem "Erfinder" bzw. Patentinhaber vorbehalten. Solche Ansprüche sind absurd.

Denn Lebewesen und deren Teile können niemals erfunden, sondern höchstens entdeckt werden. Denn sie waren immer schon vorhanden. Die eigentliche, ursprüngliche "Erfinderin" ist in jedem Fall die Natur. Und deren Besitzer ist die gesamte Menschheit oder Gesellschaft.

Es darf nicht sein, dass materielles oder intellektuelles Allgemeingut durch Entdeckung und Patentierung unter die Kontrolle Privater kommen kann.

Grotesk ist auch das Ansinnen, nicht Lebewesen (z.B. Menschen) "als solche" zu patentieren, sondern "nur" die durch Isolation gewonnen Bestandteile als patentierbar zu erklären.

Oder hat man, wenn man einen Chip aus einem Computer "isoliert", das Patent auf den Chip? Oder auf die Software im Chip? Oder vielleicht gar auf eine andere Maschine, in die man den Chip einbaut?
 
 

Das "Verfahren" der Reproduktion

Lebewesen entstehen auch nach einem technischen Eingriff weitestgehend auf natürlichem Weg, also durch ein seit jeher bestehendes und universelles Verfahren, die natürliche Reproduktion.

Diese ist keine Erfindung der Menschheit. Und in der ganzen Technikgeschichte hat die Menschheit keine Maschinen oder "Erfindungen" hervorgebracht, die sich autonom replizieren. Alles, was sich selbständig reproduziert - und das sind per Definition die Lebewesen - entspringt also niemals einer geistigen Leistung irgendeines Erfinders!

Demnach kann es niemals einen Patentanspruch auf Lebewesen geben.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die vollständige technische Synthese eines Lebewesens gelänge, könnte sich ein Patentanspruch höchstens auf unmittelbar hergestellte Individuen im Falle von würdelosen Wesen erstrecken. Aber sicher niemals auf Nachkommen dieser Individuen, denn diese werden durch ein allgemein verfügbares "Verfahren", die natürliche Reproduktion, "hergestellt".

Alles, was die Natur zur Hervorbringung eines Organismus beiträgt, darf nicht Gegenstand geistigen Eigentums sein. Dass die Natur auch anthropogene Merkmale eines biologischen Gebildes weiter repliziert, ist nicht der Schaffenskraft irgendeines Erfinders zuzuschreiben.

Ein Merkmal, das seinem biologischen Kontext überlassen wird, reproduziert sich selber. Mit dem Merkmal selber hat diese Tatsache nichts zu tun. Bereits ab der zweiten Generation ist auch das technisch Synthetisierte also keine Erfindung mehr, und somit keinesfalls patentierbar.
 
 

Patentierung schädigt die Gesellschaft materiell

Durch die Patentierung käme die Nutzung natürlicher Wesen oder Eigenschaften unter die Kontrolle des Patentinhabers. Dies bedeutet, dass die Natur bzw. ihr Besitzer, die gesamte Menschheit als potentielle oder tatsächliche Nutzerin dieser Eigenschaften, durch einen Patentanspruch nicht nur in ihrer Würde verletzt, sondern auch materiell geschädigt wird.

Der Gesellschaft entstehen Kosten materieller Art (Entzug des Nutzungsrechts, Verbauen von Anwendungsmöglichkeiten) und immaterieller Art (Entwürdigung, ethischer Dammbruch, "Denkverbot"). Eine gleichwertige Gegenleistung besteht nicht.

Durch einen Patentanspruch wird der Natur das Material oder das "Wissen" entschädigungslos geraubt. Bestandteile von Lebewesen würden durch die Patentierung dem Allgemeingebrauch und

-wissen entzogen. Das Erbe der Menschheit würde unverfügbar, sei dies für Anwendungen in Forschung, Medizin, Landwirtschaft, Umweltschutz usw.

Gerechterweise sollte die Gesellschaft beim Patentinhaber den für diesen entstandenen Mehrwert abschöpfen, bzw. der Patentinhaber müsste die Gesellschaft für den entsprechenden Minderwert entschädigen.

Davon ist aber im Gesetzesentwurf keine Rede, es geht ausschliesslich um den Schutz privater Partikulärinteressen vor meist übergeordneten öffentlichen Ansprüchen.

Missbrauch des Patentrechts

Die Ausweitung der Patentierbarkeit auf Lebewesen und deren Teile könnte zu grotesken Szenarien führen. Die bisherigen Patentstreitereien zwischen Grosskonzernen sowie von einigen Multis gegen Bauern gaben bereits einen kleinen Vorgeschmack darauf.

Der Entwurf enthält keinerlei Mechanismen zur Abwendung des Missbrauchs.

Gerade die Eigenheit von Lebewesen, sich zu vervielfältigen und ihre Eigenschaften über horizontalen Gentransfer oder auch geografisch zu verbreiten, eröffnet zusammen mit dem Patentrecht ein weites Feld für Missbräuche.

Patentinhaber könnten absichtlich missliebigen Konkurrenten oder auch Kunden patentiertes Material unterjubeln und diese dann missbräuchlich verklagen. Die Beweislast für die Tatsache, keine Patentverletzung begangen zu haben, würde beim Verklagten liegen, wobei der Beweis kaum oder gar nicht zu erbringen wäre.

Auch jede Verletzung der Sorgfaltspflicht seitens des Patentinhabers könnte zur Verbreitung von patentierten Wesen oder Eigenschaften beitragen. Der fehlbare Patentinhaber könnte dann gezielt jemanden des "Diebstahls" bezichtigen.

Auch Lebewesen oder Eigenschaften, die sich durch Zufall vermehrten oder weiterverbreiteten, könnten eines Tages wiederentdeckt werden und stellten sich dann plötzlich als patentgeschützt heraus. Damit wird jede Innovation gelähmt, und der Patentinhaber kann sich zurücklehnen, obwohl er keine Leistung erbracht hat und gegenüber der Gesellschaft keinerlei Abgeltung leistet.

Wir würden erwarten, dass man alle erdenklichen Missbräuche mit einem solchen Gesetz abfangen müsste.
 
 

Erwartung

Wir beantragen, dass unsere Anliegen in einen überarbeiteten Entwurf einfliessen.

Im Übrigen unterstützen wir die Anträge der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie SAG.
 
 
 

Mit freundlichen Grüssen

Forum GenAu

T. Schneeberger

Sekretär