Bern, 31.8.2002
Unsere Freiheit besteht nicht darin, tun zu können,
was wir wollen,
sondern nicht tun zu müssen, was wir nicht
wollen.
Jean-Jacques Rousseau
Sehr geehrte Frau Bundesrätin
Sehr geehrte Damen und Herren
Wir äussern uns im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens
zum Entwurf des Embryonenforschungsgesetzes EFG.
Allgemeines
Grundsätzlich begrüssen wir die Bestrebungen des Bundes, mit einer umfassenden Gesetzgebung dem drohenden Wildwuchs auf dem Gebiet der Forschung mit menschlichem "Material" zu begegnen. Wir danken an dieser Stelle auch für die fast unmögliche Arbeit der Bundesstellen.
Wir bezweifeln jedoch, dass wir mit dem nun ausgearbeiteten Entwurf dem gesteckten Ziel nahe kommen. Der vorliegende Entwurf wird den Anforderungen bei weitem nicht gerecht.
Es zeigt sich, dass man unter dem Zeitdruck,
den man sich durch die technischen Sachzwänge und das forsche, um
nicht zu sagen selbstherrliche und undemokratische Vorgehen des Nationalfonds
auferlegen liess, kein taugliches Gesetz machen kann.
Vorschläge zum weiteren Vorgehen
Publiforum
Einer seriösen gesellschaftlichen Reflexion zu einer so wichtigen Thematik muss überhaupt erst mal Raum und Zeit gegeben werden. Eine öffentliche Diskussion hat bisher nicht stattgefunden. Es scheint, dass uns die Technologie die Werthaltung diktiert.
Wir erwarten vom Bundesrat, dass möglichst
rasch ein Publiforum zur Embryonen- und Stammzellenforschung organisiert
wird. Im Anschluss daran sind die gesetzlichen Bestimmungen danach auszurichten,
sei es im Gesetz zur Forschung am Menschen, im Transplantationsgesetz oder
im neuen EFG.
Vorschläge zur Gesetzgebung
Die Vorschläge beziehen sich auf
Artikel im Entwurf, sie könnten aber auch in andern Gesetzen Eingang
finden.
Art. 1: Erweiterung des Gegenstands, Zwecks und der Begriffe des Gesetzes
Der Entwurf ist schon veraltet: Bereits gibt es Ansätze, Embryonen und Stammzellen nicht aus Samen- und Eizellen zu gewinnen (durch Kernverschmelzung gemäss Art. 2 Bst. a), sondern z.B. aus unbefruchteten Eizellen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Technik soweit ist, aus anderen Keimzellen (Samenzellen, Keimzellen aus abgetriebenen Föten) Embryonen oder Stammzellen zu gewinnen.
Diesen Bereich deckt der Entwurf nicht
ab, wir verlangen eine Erweiterung in diesem Sinn, weil sich hier eine
ähnliche ethische Problematik zeigt wie bei "normalen" Embryonen,
dies im Unterschied beispielsweise zu adulten Stammzellen oder solchen
aus Nabelschnurblut.
Art. 5 ff (Kapitel 2) Umgang mit überzähligen Embryonen, Datenschutz
Leider ist nirgends im Gesetz etwas
von Datenschutz zu lesen.
Während für die künstliche
Befruchtung die Spenderinnendaten peinlich genau verwaltet werden müssen,
sind diese Daten bei "elternlos" gewordenen Embryonen höchster Missbrauchsgefahr
ausgesetzt!
Wir fordern, dass dieses Kapitel mit einer Bestimmung ergänzt wird, wonach sämtliche Spenderinnendaten nach der Freigabe überzähliger Embryonen zu Forschungszwecken sofort restlos vernichtet werden müssen.
Ebenso muss ein striktes Gendiagnoseverbot
aufgestellt werden, solange die Spenderinnendaten nicht restlos vernichtet
sind, so wie es dem Geist des Verbots der Präimplantationsdiagnostik
im FMedG entspricht.
Art. 7 Bst. c: Vernichtung von Embryonen
Schon die Ausdrucksweise "Vernichtung von Embryonen" empfinden wir als stossend.
Wir wünschen, dass der Bund die rechtlichen Voraussetzungen schafft, dass die Eltern von Embryonen auf Wunsch eine Bestattung verlangen können.
Zumindest ist eine Bestimmung zu schaffen, wonach die Eltern auf Wunsch der "Vernichtung" beiwohnen können.
Art. 10 Abs. 2 könnte ergänzt werden mit
"Lehnt das Paar die Freigabe der Embryonen ab, wird ihm ein Beisein bei der Vernichtung angeboten."
Beide Vorschläge sind geeignet,
einen dringend nötigen Kontrollmechanismus schaffen. Denn wer kann
sonst kontrollieren, ob überzählige Embryonen überhaupt
jemals vernichtet und nicht unter der Hand weiterverwendet werden?
Art. 6 Bst. e / Art. 13 / Art. 14 Bst. d u.a.: Ethikkommissionen
Es ist für uns unverständlich, dass an mehreren Stellen und in mehreren Verweisen auf Art. 13 nur auf die Ethikkommissionen für klinische Versuche gemäss Art. 57 Heilmittelgesetz verwiesen wird.
Wir fordern, dass auch oder ausschliesslich
die Nationale Ethikkommission für den Bereich Humanmedizin
zu diesen Fragen Stellung nimmt.
Alle betroffenen Bestimmunge sind
entsprechend anzupassen.
Art. 10 Bst. 1:
Einschränkung fehlt!
Unter Art. 10 Bst. 1 wird nur von
"Forschungszwecken" gesprochen.
Unter Art. 10 Bst. 4 jedoch von "Forschungsarbeiten
oder der Stammzellgewinnung".
Wenn Stammzellgewinnung nicht als
Forschungszweck verstanden würde, wäre die Einwilligung der Eltern
damit umgehbar!
Bst. 1 ist entsprechend zu ergänzen,
ev. noch weitere Artikel oder die Begriffssammlung.
Begriff "betroffenes Paar" (oder
Art. 2)
Der Begriff "das betroffene Paar"
sollte klarer umrissen werden. Gemeint ist ja das Elternpaar des Embryos.
Je nach zukünftiger Verwendung überzähliger Embryonen könnte
unter "betroffenem Paar" ev. auch ein Paar verstanden werden, das eine
Therapie empfängt. In Art. 6 wird ja ausdrücklich die Verbesserung
der IVF als Ziel der Forschungstätigkeit genannt.
Art. 10 Bst. 5 neu (Vorschlag):
"Mit dem Bekanntwerden des Todes
der Embryonenspender vor Beginn der Forschungsarbeiten oder der Stammzellengewinnung
erlischt die Einwilligung zur Verwendung der Embryonen."
Art. 23 ff (Kapitel 6): Lächerliche Strafgestimmungen
Die Strafbestimmungen (Busse bis 200'000
Franken) sind geradezu eine Einladung zum Gesetzesbruch, wo doch teilweise
gigantische finanzielle Interessen dahinter stecken können. 200'000
Franken sind für eine Firma nichts als eine kleine, kalkulierbare
Investition.
Wir verlangen eine Bussenregelung,
die auf das finanzielle Potential der "Täterschaft" abgestimmt ist.
Die Bussenhöhe soll nach oben nicht begrenzt werden.
Im Übrigen schliessen wir uns
der Stellungnahme des Komitees zum Schutz der Menschenwürde an, in
welchem wir Mitglied sind.
Mit freundlichen Grüssen
Vorstand Forum GenAu