Eidgenössisches
       Volkswirtschaftsdepartement
       Gen-Lex-Vernehmlassung
       Bundeshaus Ost

       3003 Bern
 

       Bern, 31. März 1998
 

Vernehmlassungsantwort zum Gen-Lex-Programm
 

Sehr geehrte Damen und Herren

Als Verein, der sich kritisch mit den Themen Bio-, Gen-, Reproduktionstechnologie
auseinandersetzt, erlauben wir uns die Teilnahme an der Vernehmlassung zur Gen-Lex (wie
auch schon zum Humanmedizingesetz-Entwurf und zur Revision der Bundesverfassung).

Unsere Anwort enthält drei Teile:

1. Teil: Allgemeines zur Gen-Lex-Motion
2. Teil: Über die Gen-Lex-Motion hinausgehender Regelungsbedarf
3. Teil: Überlegungen und Anträge zum Gen-Lex-Vorentwurf

Unsere Vernehmlassungsantwort finden Sie im Internet unter
http://members.delphi.com/genlex

Sie können sie zwar nicht downloaden, aber doch immerhin die gewünschten Teile unserer
Stellungnahme übernehmen (mit Kopieren/Einfügen- (copy/paste)-Funktionen).
 

Mit freundlichen Grüssen

Vorstand gentechkritisches Forum GenAu


Vernehmlassungsantwort
des gentechkritischen Forums GenAu
zum Gen-Lex-Vorentwurf
 

Inhalt

1. Teil: Allgemeines zur Gen-Lex-Motion
2. Teil: Über die Gen-Lex-Motion hinausgehender Regelungsbedarf
3. Teil: Überlegungen und Anträge zum Gen-Lex-Vorentwurf
 

1. Teil: Allgemeines zur Gen-Lex-Motion

Obwohl wir die Stossrichtung der Gen-Lex-Motion und des Gen-Lex-Pakets klar
unterstützen, erachten wir es als völlig ungenügenden Regelungsversuch. Wir möchten
jedoch betonen, dass wir dies keineswegs der sicher intensiven Koordinationsarbeit des
BVET und anderer Bundesstellen zuschreiben, sondern dem unredlichen Auftrag, wie ihn
die Gen-Lex-Motion in unseren Augen darstellt.
Es mag erstaunen, dass sich die Wirtschaftsvertreter unter dem Druck der Gen-Schutz-
Initiative auf ein vordergründiges Entgegenkommen einliessen, zumal sie einen echten
mehrheitsfähigen Kompromiss, den Gegenvorschlag, abgelehnt hatten. Früheren
Regelungsversuchen im Rahmen der normalen legislativen Tätigkeit erging es ähnlich.
Ansätze, Deklarations- oder Haftpflichtvorschriften zu verschärfen, wurden schon im Keim
erstickt, und erst recht nicht wären jemals Bestrebungen zu erkennen gewesen, solche
"Handelshemmnisse" freiwillig zu akzeptieren.
Deshalb ist es zu offensichtlich, dass die Gen-Lex-Motion eher ein Ablenkungsmanöver und
primär eine Propaganda-Übung gegen die Gen-Schutz-Initiative darstellt. Die mit dem
Gen-Lex-Paket vorgeschlagenen Änderungen sind fast beliebig verwässerbar, was nach
einer allfälligen Ablehnung der Gen-Schutz-Initiative unter den herrschenden
Mehrheitsverhältnissen im Parlament mit grösster Wahrscheinlichkeit auch eintreten wird.
Der Gegenvorschlag war ja diskussionslos abgelehnt worden, es wurden nicht mal
Versuche unternommen, ihn in Richtung der Gen-Lex-Motion abzuändern. Dies legt den
Schluss nahe, dass die Parlamentsmehrheit vor allem vor der Verbindlichkeit eines
gleichzeitig wie die Gen-Schutz-Initiative zur Abstimmung gelangenden Vorschlags Angst
hat. Die Motion enthält zudem einige recht perfide Formulierungen, die es dem Parlament
erlauben könnten, die unter Ziffer 2 figurierenden eigentlichen Inhalte der Motion als erfüllt
zu beurteilen, auch wenn nur marginale Gesetzes- oder Verordnungsänderungen
beschlossen worden wären. So sind beispielsweise sämtliche Hauptforderungen als
Unterziffern von Ziffer 2 formuliert. Die übergeordnete Ziffer 2 aber lautet bekanntlich: "Die
Gesetzgebung ... ist auf die Konkretisierung folgender Grundsätze hin zu überprüfen".
Warum so unverbindlich? Verbindlich wäre:
"Die Gesetzgebung ... ist auf die Konkretisierung folgender Grundsätze hin auszurichten
und entsprechend anzupassen".
Es ist also denkbar, dass allein die erfolgreiche Prüfung als Erfüllung der Motion ausgelegt
wird (sobald die Gen-Schutz-Initiative abgelehnt wäre).
In Punkt 2.5 verlangt die Motion nicht eine "Verlängerung der Verjährungsfrist", wie sie jetzt
(vernünftigerweise) vorgeschlagen wird, sondern es heisst nur: "Das Haftpflichtrecht hat die
Besonderheiten der Gentechnik hinsichtlich denkbarer langfristiger Auswirkungen zu
berücksichtigen." Was heisst denn das? Sollte dies nach Politiker-Meinung bereits mit dem
geltenden Recht erfüllt werden können, wird sich die Mehrheit nicht mehr für eine
Ausweitung der Haftpflicht oder der Verjährungsfrist einsetzen wollen.

Für ziemlich plump und demokratisch fragwürdig halten wir die behördliche Bemerkung, im
Fall einer Annahme der Gen-Schutz-Initiative werde das Gen-Lex-Programm sofort gestoppt.
Ein Stopp wäre kaum zu begründen, denn das Gen-Lex-Programm müsste ja eigentlich
verschärft und ergänzt werden, und die bisher geleistete Arbeit wäre keineswegs umsonst
gewesen. Vor diesem Hintergrund muss man diese Verlautbarung als unstatthafte Drohung
auffassen.
 
 

2. Teil:
Über die Gen-Lex-Motion hinausgehender Regelungsbedarf

Es ist wohl auch den Bundesbehörden klar, dass (zumindest aus Sicht eines Grossteils der
Bevölkerung) viel weitergehender Regelungsbedarf herrscht, als mit dem Auftrag der Gen-
Lex-Motion abgedeckt wird.
Ein Ausdruck davon ist die Gen-Schutz-Initiative, welche aber auch nicht vollkommen ist. Es
ist für uns wichtig, dass die Grundsätze aus Art. 24novies BV endlich auch in weiteren
Erlassen Niederschlag finden müssen, auch wenn sich dies nicht mit dem momentanen
Auftrag der Gen-Lex-Motion decken sollte.
Ein erster konsensfähiger Ansatz ist mit dem Gegenvorschlag zur Gen-Schutz-Initiative, den
das Parlament verschmähte, gestorben.
Es ist ja bezeichnend, dass nicht dieser Gegenvorschlag (z.B. in Richtung der Gen-Lex-
Motion) abgeändert wurde, sondern ein separater Vorstoss auf anderer Ebene lanciert
wurde. Über die mutmasslichen Absichten des Motionärs und der Unterzeichnenden haben
wir uns im 1. Teil geäussert.
 

2.1. Verbandsbeschwerderecht

Die Mitsprache der Öffentlichkeit muss endlich umfassend sichergestellt werden. Für
gentech-relevante Vorhaben und Verfahren im Ausserhumanbereich (z.B. auch absichtliche
Freisetzungen von Pflanzen und Mikroorganismen sowie Zulassung von Gentech-
Lebensmitteln) muss das Verbandsbeschwerderecht greifen.
Der unhaltbare Zustand, dass das Bundesgericht z.B. den
Konsumentenorganisationen als Vertreterinnen der Betroffenen das Recht absprechen
kann, sich zu wehren, darf nicht länger bestehen bleiben!

Ein erster Schritt zu mehr Mitsprache ist mit der Gen-Lex-Motion vereinbar: Wir sind der
Ansicht, dass Punkt 2.6 der Gen-Lex-Motion ein klarer Auftrag ist, taugliche Instrumente zur
Beteiligung und Mitsprache der Öffentlichkeit einzuführen. Siehe unser Kapitel 3.3.
 
 

2.2. Umfassende Deklaration

Auch Punkt 2.7 der Gen-Lex-Motion wird dem Bedürfnis der Konsumentinnen und
Konsumenten nach Transparenz und Wahlfreiheit in keiner Weise gerecht und ist deshalb
völlig ungenügend.
In jedem Gesetz und Regelwerk, das irgendwelche Deklarationsvorschriften enthält, sollen
die Vorschriften auf alle Erzeugnisse und Produkte ausgedehnt werden, die auf
gentechnische Weise hergestellt wurden, und nicht nur, die selber GVOs sind oder
enthalten.

Ausserdem sind die rechtlichen Grundlagen zur Schaffung je eines Labels (Logos) für GVOs
und ebenfalls für GVO-freie Dinge bereitzustellen.
 

2.3. Koordinationsgesetz

Für uns ist nicht nachvollziehbar, weshalb immer noch und trotz gegenteiliger Empfehlung
(Schweizer) und bereits geleisteter Vorarbeit (Grütter/Saladin) auf ein eigentliches
Gentechnikgesetz verzichtet wird.
Wir zweifeln daran, dass so die Anliegen von Art. 24novies BV jemals kohärent umgesetzt
werden können.
 
 

3. Teil: Überlegungen und Anträge zum Gen-Lex-Vorentwurf

Vorbemerkungen

Wenn ein Artikel aus dem Vorschlag des Gen-Lex-Pakets im folgenden nicht aufgeführt ist,
bedeutet dies, dass wir mit dem entsprechenden Vorschlag und allfälligen Verschärfungen
oder Erweiterungen einverstanden sind und jede Lockerung ablehnen.
Wir haben versucht, in diesem Kapitel 3 nur Änderungen  vorzuschlagen, die sich klar
innerhalb des Auftrags der Gen-Lex-Motion bewegen; der übrige, aber nicht minder wichtige
Regelungsbedarf wurde in Teil 2 besprochen.

Lockerungen gegenüber dem Vorentwurf lehnen wir klar ab und wären bereit, sie
politisch zu bekämpfen.

Die folgenden generellen Anträge sollen für alle betroffenen Gesetze und Regelwerke
gelten:
 

3.1. Antrag 1: Würde der Kreatur besser wahrnehmen

Mit dem Gen-Lex-Vorentwurf erfüllt man Punkt 2.1 der Gen-Lex-Motion nur unvollständig.
Die den Vorschlägen zugrunde liegende Auslegung der Würde der Kreatur können wir nicht
teilen. Die Grundsatzfrage, was die Würde der Kreatur ist und wodurch sie allenfalls verletzt
wird, bleibt unbeantwortet.

Es ist fraglich, inwiefern die Würde der Kreatur überhaupt und generell Gegenstand von
Güterabwägungen sein kann, oder wo sie in bestimmten Fällen - wie beim Menschen - auch
absolut gelten muss.
Die erfolgte Grenzziehung zwischen Menschen und der übrigen belebten Natur kann auch
als willkürlich aufgefasst werden. Die Folgerung im Begleitbericht (321.21), wonach die
"Herstellung transgener Lebewesen" "keine prinzipielle Verletzung der Würde der Kreatur"
darstellt, können wir nicht akzeptieren.
Die "Auffassung der konsultierten Ethiker" ist weder repräsentativ noch aussagekräftig.
Gerade die sogenannten "Ethiker" führen oft die Meinungsvielfalt der pluralistischen
Gesellschaft an, um dann damit gegen Bedenken anzukämfen und Praktiken, welche
manchmal nur Partikulärinteressen dienen, "ethisch" zu begleiten und im Endeffekt zu
rechtfertigen. Laien aber haben die gleiche ethische Kompetenz wie die sogenannten
"Ethiker", und müssen ebenfalls begrüsst werden.

Deshalb müsste der Wertemassstab einer demokratischen Gesellschaft ermittelt werden
können. Dazu sind Konsenskonferenzen ein taugliches Instrument (siehe 3.2.).

Wir fordern die Etablierung von demokratischen Instrumenten, mit welchen die Würde
der Kreatur definiert werden kann.

Ausserdem bleibt unklar, wie jene Lebewesen behandelt werden, denen zwar eine Würde
zukommt, die aber weder unter das Umweltschutzgesetz noch unter das Tierschutzgesetz
fallen.
Diese Lücke ist allefalls noch zu stopfen.
 

3.2. Antrag 2: Einschränkung der Patentierbarkeit aufgrund GLM-2.1

Es ist schleierhaft, warum der Bundesrat trotz Punkt 2.1 der Gen-Lex-Motion (Würde,
Artenvielfalt, Nachhaltigkeit) keinen Regelungsbedarf im Bereich der Patentgesetzgebung
sehen will. Im Begleitbericht sucht man vergeblich nach einer Begründung. Offenbar ist
diese Unterlassung unter anderem eine Folge der untauglichen Auslegung der Würde der
Kreatur!
Hingegen ist im Begleitbericht festgehalten, dass die Würde ein inhärenter Wert der Kreatur
sei, den es zu beachten gelte, was bedeute, dass das Lebewesen nicht nur als Mittel zu
betrachten sei. Die Patentierung von Lebewesen bedeutet eine Erschütterung dieser Würde
in ihrem Grundgehalt: Das Lebewesen wird in krasser Weise unter den menschlichen Begriff
einer (biologischen) Maschine gestellt.
Die Patentierung von Lebewesen (unabhängig ob transgen oder nicht) verstösst gegen die
Würde des betroffenen Lebewesens und kann durch das Ausschliessungsrecht sogar die
Würde des Menschen tangieren. Die Würde der Kreatur ist schon rein durch ihre rechtliche
Degradierung zu Sachen beeinträchtigt, was sich nun immerhin mit der jüngsten
Relativierung des Sachstatus' von Tieren etwas gebessert hat. Erst recht bedeutet eine
Patentierung eine zusätzliche Instrumentalisierung, die sich mit der Würde nicht verträgt.

Durch den patentrechtlich bedingten Kommerzialisierungszwang können zudem weitere
gemäss Gen-Lex-Motion zu schützende Güter verletzt sein, so zum Beispiel die Artenvielfalt
oder die Nachhaltigkeit im ökologischen und sozial-politischen Sinn.

Patente sind nicht das angebrachte Schutzsystem für Lebewesen, auch nicht wenn man
anerkennt, dass dahinter eine geistige Leistung stehen kann.

Die Bestrebungen des Bundesrats, sich in internationalen Institutionen wie GATT/WTO oder
beim Europäischen Patentübereinkommen EPÜ für die Ausweitung der Patentierbarkeit von
Lebewesen einzusetzen, finden wir inakzeptabel, und sie erfolgen ohne demokratische
Legitimation.

Die Patentierung von Lebewesen stösst in der ganzen Welt auf massiven Widerstand, findet
aber mangels demokratischer Instrumente kaum Eingang in die Gesetzgebung.

Der Bundesrat soll seine harte industriefreundliche Linie aufgeben und sich im In- und
Ausland für die Einschränkung der Patentierung von Lebewesen einsetzen.
Entsprechende Vorlagen sind im Gen-Lex-Programm einzubauen.
 

3.3. Antrag 3: Mitsprache ausbauen

Damit Punkt 2.6 der Gen-Lex-Motion erfüllt werden kann, verlangen wir die Schaffung
der gesetzlichen Grundlagen für Konsenskonferenzen für alle gentech-relevanten
Vorhaben und Verfahren und entsprechender Aufträge, solche einzusetzen!

"Dialog" bedeutet gegenseitige Kommunikation. Einwegkommunikation, in welcher
Forschung oder Industrie ganz "neutral" und "sachlich" die Öffentlichkeit orientieren, kennen
wir zur Genüge. Ihr einziger Zweck ist es, die Akzeptanz zu erhöhen. Dialog bedeutet aber
auch das Recht der Öffentlichkeit zur Mitsprache und die Pflicht der Anwender der
Gentechnologie, die Bedenken und Anliegen der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu nehmen
und entsprechend zu handeln bzw. gegebenenfalls nicht zu handeln!
Konsenskonferenzen sind ein Mittel, den demokratisch vertretbaren Weg zu finden.
 

3.4. Antrag 4: Auflagen und Widerrufung von Bewilligungen

Überall, wo eine Bewilligungspflicht besteht, und die Bewilligungskriterien sich unter
anderem nach dem "Stand der Wissenschaft" richten sollen, ist vorzusehen, dass die
Bewilligung mit Auflagen versehen werden kann und widerrufen werden kann (falls die
Auflagen nicht eingehalten werden oder sich der "Stand der Wissenschaft" - wie schon oft
erlebt - ändern sollte!).
 

3.5. Antrag 5: Kann-Formulierungen vermeiden

Wo immer möglich ist auf "Kann"-Formulierungen zu verzichten. Oft werden die Artikel durch
"Kanns" fast bis zur Wirkungslosigkeit relativiert.
 
 

3.6. Zu den einzelnen Regelwerken
 

Zu 0: Umweltschutzgesetz

Allgemein

* Die Mitsprache der Öffentlichkeit muss umfassend sichergestellt werden. Für gentech-
relevante Vorhaben im Ausserhumanbereich (z.B. auch absichtliche Freisetzungen von
Pflanzen und Mikroorganismen) muss das Verbandsbeschwerderecht greifen. Der
Bundesrat soll entscheiden, wo diese Vorschrift untergebracht werden kann oder schon
untergebracht ist.

* Unserer Ansicht nach müssen zusätzliche Sicherheiten eingebaut werden, um
irreversible Schäden absolut abzuwenden.
 

Art. 1 Abs. 1
Wir halten es für willkürlich und grundfalsch, aus "Wertungs- und Praktikabilitätsgründen"
den "niederen Organismen" a priori keine Würde zuzuerkennen! Zumal ja später die
Güterabwägung eine allfällige Relativierung bereits ermöglicht.
* Den letzten Satz in den ersten integrieren: "... dauerhaft erhalten sowie die Würde der
Kreatur schützen."

Art 29a Abs. 2
* Er muss Kriterien enthalten, nach denen der Tatbestand der Verletzung der Würde der
Kreatur beurteilt werden kann.

Art. 29g Abs. 2 Bst. f
Zu den Technologiefolgeabschätzung gehört sicher auch das Langzeitmonitoring,
beispielsweise von gentechnisch veränderten Organismen im Ökosystem.
* Die entsprechenden Kompetenzen des Bundesrats und die Pflichten der Anwender
sind hier vorzusehen.
 

Art. 29gbis

* Dieser Artikel ist zu streichen.

Wenn man postuliert, eine Gefährdung (...), Missachtung (...) oder Beeinträchtigung (...)
ausschliessen zu können, so ist dieser Sachverhalt sicher nicht vom "Stand der
Wissenschaft oder der Erfahrung" abhängig, also zeitlich unabhängig und niemals
relativierbar. Somit wäre die Relativierung "nach dem Stand der Wissenschaft oder der
Erfahrung" wegzulassen.
Wir aber halten fest, dass eine Gefährdung (...), Missachtung (...) oder Beeinträchtigung (...)
gar nie ausgeschlossen, sondern höchstens als unwahrscheinlich eingestuft werden
kann. Unbewiesene Bedenklichkeit heisst nicht bewiesene Unbedenklichkeit! Ein
Nichtvorhandensein hypothetischer Eigenschaften kann nach den Gesetzen der Logik
niemals bewiesen oder verifiziert (nur falsifiziert) werden.

Somit kann es kein Ausgeschlossensein geben, womit der Artikel überflüssig ist, weil seine
Anwendbarkeit nie gegeben ist.

Wegen obiger Begründung müsste "ausgeschlossen ist" ehrlicherweise durch "als
unwahrscheinlich gilt" ersetzt werden. Wenn man aber auf die Interpretation
"unwahrscheinlich" geht, so eröffnet man einen willkürlichen Spielraum, der alle
Verschärfungen, die mit der Gen-Lex erzielt werden sollten, ausser Kraft setzen kann.
Deshalb ist Artikel Art. 29gbis zu streichen.

Mit dem Artikel wäre dem Bund auch jegliche Widerrufbarkeit (einer Bewilligung) für den Fall
genommen, dass sich "der Stand der Wissenschaft" ändert!

Ausserdem scheint der Vorschlag logisch doppelt falsch:
1. Da es sich um eine Negation handelt ("...ausgeschlossen ist."), müssten für das
Gewähren der Ausnahme alle Bedingungen erfüllt sein, also müsste anstelle des letzten
"oder" ein "und" stehen.
2. Rein das Vorsehen von Ausnahmen kann ja nicht davon abhängig sein, ob es überhaupt
Fälle gibt, in denen "eine Gefährdung (...), Missachtung (...) und Beeinträchtigung (...)
ausgeschlossen ist (Formulierung "..., wenn nach dem Stand...").
Gemeint ist ja wohl,
"Der Bundesrat kann (...) Ausnahmen (...) vorsehen für jene Einzelfälle, wo (...) eine
Gefährdung (...), Missachtung (...) und Beeinträchtigung (...)
ausgeschlossen/unwahrscheinlich ist."
 

Art 29i

Die Ethikkommission begrüssen wir ausdrücklich.

Allerdings sind uns die Angaben über die Zusammensetzung und die Kompetenzen zu vage.
Wir zweifeln daran, dass das Gremium in dieser Form mehr kann, als retrospektiv
irgendeine unverbindliche Meinung abzugeben und allenfalls fragwürdige Praktiken im
Nachhinein ethisch "abzusegnen".

Anträge:

* Es muss unbedingt ein Passus ins Gesetz aufgenommen werden, dass die Mitglieder der
Ethikkommission bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe unabhängig sein sollen. Für die
Wahrung dieser Unabhängigkeit ist es nötig, bei der Auswahl der Kommissionsmitglieder
sicherzustellen, dass kein Mitglied sich erhoffen kann, durch die Abgabe von
(insbesondere liberalen) Empfehlungen oder Stellungnahmen Impulse für seine eigene
Tätigkeit oder die seines nahen Umfelds auszulösen oder damit eventuell seinen
prestigemässigen oder materiellen Erfolg zu begünstigen.

* Die Kommission muss ausdrücklich auch Laien enthalten.
Laien haben die gleiche ethische Kompetenz wie Experten!

* Bei den Kompetenzen schlagen wir eine Art Vetorecht vor. Das "Verfolgen", "Beurteilen"
und "Stellung nehmen" genügt unserer Auffassung nach nicht. Eine qualifizierte Mehrheit
der Kommission soll ein Verfahren entscheidend beeinflussen können.

Art. 51a

Damit kann Punkt 2.6 der Gen-Lex-Motion sicher nicht erfüllt werden. "Dialog" bedeutet
gegenseitige Kommunikation. Einwegkommunikation, in welcher Forschung und Industrie
ganz "neutral und "sachlich" die Öffentlichkeit orientieren, kennen wir zur Genüge. Ihr
einziger Zweck ist es, die Akzeptanz zu erhöhen. Dialog bedeutet auch das Recht der
Öffentlichkeit zur Mitsprache und die Pflicht der Anwender der Gentechnologie, die
Bedenken und Anliegen der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu
handeln bzw. gegebenenfalls nicht zu handeln!
Das Fördern der "Kenntnisse der Bevölkerung" ist nur ein völlig unzureichender Teil des
"Dialogs".
* Wir verlangen die Schaffung der gesetzlichen Grundlage für Konsenskonferenzen
oder mindestens gleichwertige Instrumente und eines Auftrags, solche
einzusetzen!
 

Art. 59 a Abs 1bis

Es ist nicht einzusehen, warum und wie die "besondere Gefahr" als Voraussetzung für die
Haftpflicht eruiert werden soll. Vielleicht wird eine Gefahr ja erst mit dem Eintritt eines
Schadens offenbar.
* Antrag: "... haftet für den Schaden, der durch die Organismen entsteht."
 
 

Zu 1: Produktehaftpflichtgesetz

Art. 3 Abs. 2 Bst. b
* Er ist unbedingt wie vorgeschlagen beizubehalten.

Weitere Anträge:

* Um dem Punkt 2.5 der Gen-Lex-Motion gerecht zu werden, sind die Bestimmungen über
die Verjährung von Ansprüchen im PrHG analog dem vorgeschlagenen Art. 59c USG
anzupassen.

* Es ist fragwürdig, dass Produzenten von der Haftung befreit sind, falls "der Fehler nach
dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte". Nebst der
Schwierigkeit, den kausalen Zusammenhang zwischen Produkt und Schaden glaubhaft
zu machen, dürfte es Betroffenen kaum je möglich sein zu beweisen, dass der Fehler
hätte erkannt werden müssen, da ja das Know-How und das Wissen über technische
Details zur Zeit der Entwicklung und Lancierung eines Produkts einzig beim Hersteller
gelegen ist.
Wir verlangen die Übernahme des Entwicklungsrisikos durch die Hersteller.
 
 
 

Zu 2: Natur- und Heimatschutzgesetz

Allgemein

* Wir sind der Ansicht, dass wenig kultivierte, "urtümliche" Lebensräume wie Seen oder
Wälder in jedem Fall vor gentechnisch veränderten Organismen bewahrt werden
müssen, um dem Punkt 2.1 der Gen-Lex-Motion Nachachtung zu verschaffen.
Ein entsprechender Passus ist im Gesetz einzubauen.
 

Art. 20 Abs. 4 (neu)
Zum Schutz von Lebensräumen sollen nicht erst dann Massnahmen (allenfalls Verbote)
beschlossen werden, wenn gentechnisch veränderte oder pathogene Organismen in die
Umwelt gelangen (gelangt sind), sondern bereits wenn die Gefahr oder Absicht dazu
besteht.
* Es ist die folgende Formulierung zu wählen:
"Er kann Massnahmen zum Schutze bedrohter oder sonst schützenswerter Tier- und
Pflanzenarten sowie zum Schutz von deren Lebensräumen treffen für den Fall, dass
gentechnisch veränderte oder pathogene Organismen in die Umwelt gelangen können
oder sollen."
 
 

Zu 3: Tierschutzgesetz

Es ist nicht klar, warum der Bundesrat zur Einstellung kommt, dass die Herstellung
transgener Tiere nicht a priori eine Verletzung der Würde der Kreatur darstellt
(Begleitbericht 321.21, Art. 29a). Die "konsultierten" "Experten" beurteilen die Frage nach
der Verletzung der Würde der Kreatur nur nach beabsichtigtem Ziel und dem Ergebnis der
gentechnischen Veränderung. Diese enge Betrachtungsweise ist aus philosophischer
Sicht unhaltbar.
* Der Bund muss anerkennen, dass es dazu auch andere berechtigte Ansichten gibt und
entsprechende Instrumente zur Würdigung dieser Ansichten ins Gesetz einbauen.

* Auch sollte klarer zum Ausdruck kommen, unter welchen Bedingungen die Würde des
Tieres "missachtet" oder "auf andere Weise" missachtet wird.

* Der Schutz vor Verletzung der Würde von Tieren, die biologisch zu den Tieren zählen,
aber nicht unter das Tierschutzgesetz fallen, muss in andern Gesetzen abgeklärt werden.

* Es ist ausdrücklich vorzusehen, gentechnische Veränderungen von Tieren fallweise
verbieten zu können.

* Die Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit der Produktion von Xenotransplantaten
sollte auch hier geregelt werden.
 

Art 2 Abs. 3
* Er muss Kriterien enthalten, nach denen der Tatbestand der Verletzung der Würde der
Kreatur beurteilt werden kann.

In Art. 7 einbauen:
* "Gentechnische Veränderungen an Tieren sind nur erlaubt, wenn die Notwendigkeit des
Ziels des Eingriffs und des gentechnischen Wegs zu diesem Ziel belegt ist."
 

Art. 7b Abs 3. ist zu streichen:

Die Gewährung von Ausnahmen geht eindeutig über die Forderung der Gen-Lex-Motion
hinaus!
Ausserdem ist es schleierhaft, wie eine allfällige Folge (Schmerzen, Leiden usw.) der zu
bewilligenden Tätigkeit als Entscheidungsgrundlage für die Bewilligung dieser Tätigkeit
dienen können soll.

Wir stellen fest, dass eine Beeinträchtigung des Tieres, wie man sie zu vermeiden gedenkt,
gar nie, jedenfalls nicht im voraus, ausgeschlossen, sondern höchstens als
unwahrscheinlich eingestuft werden kann. Ein Nichtvorhandensein hypothetischer
Eigenschaften kann nach den Gesetzen der Logik niemals verifiziert (nur falsifiziert) werden.
Also kann es das Feststehen des Fehlens von Beeinträchtigungen gar nicht geben, womit
der Artikel überflüssig wäre, weil seine Anwendbarkeit nie gegeben ist.

Wenn man aber auf die Interpretation "unwahrscheinlich" geht, so eröffnet man einen
grossen willkürlichen Spielraum, der fallweise die Verschärfungen, die mit der Gen-Lex
erzielt werden sollten, ausser Kraft setzen kann.
 
 

Zu 4: Lebensmittelgesetz

Um die Punkte 2.1 und 2.3 der Gen-lex-Motion vollständig zu erfüllen, müssen auch im
Lebensmittelgesetz Vorschriften verankert werden, welche die Wahrung der Nachhaltigkeit
und den Schutz der Natur gewährleisten. Denn Nachhaltigkeit und Umweltschutz hören nicht
an der Landesgrenze auf. Die gegenwärtigen rein technisch-wissenschaftlichen Kriterien bei
der Zulassung von gentechnisch produzierten Lebensmitteln müssen daher mit zusätzlichen
Kriterien ergänzt werden:
Wird bei der Erzeugung des Lebensmittels
* die Nachhaltigkeit im umfassenden Sinn beachtet?
* die Würde der betroffenen Lebewesen gewährleistet?
* sichergestellt, dass Mensch und Umwelt vor Schäden geschützt sind?
(und zwar auch durch jene Auswirkungen, die indirekt durch den Konsum bzw. die
Produktion des Lebensmittels auftreten)
 

Art. 9 Bst. b
Die Ausweitung des Geltungsbereichs auf Gebrauchsgegenstände unterstützen wir klar.

Art. 21a
* Er muss klar und einfach lauten:
"Der Bundesrat regelt die Kennzeichnung von Gebrauchsgegenständen."
Nur so ist Punkt 2.7 der Gen-Lex-Motion erfüllt.
 

Dass das überfällige Verbandsbeschwerderecht hier nicht eingebaut wurde, ist dem
mangelhaften Auftrag der Gen-Lex-Motion zuzuschreiben.
 
 

Zu 5: Epidemiengesetz

Keine Bemerkungen
 
 

Zu 6: Bundesbeschluss über Kontrolle von ... Transplantaten

Die Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit von Xenotransplantaten könnte auch hier und
nicht nur im Tierschutzgesetz zum Kriterieum werden.
 
 

Forum GenAu, März 1998



 
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