KOMMENTAR

                       Was in die Welt gesetzt wird

                       Von Urs Buess, Bern

                       Das gab es noch nie: dass der Mensch Gemüse oder
                       Getreide entwickelt, die, einmal freigesetzt, Schaden in der
                       Umwelt anrichten können. Entsprechend leicht fiel es den
                       Herstellern von Gentech-Pflanzen lange, die Risiken
                       herunterzuspielen. In letzter Zeit weicht die ursprüngliche
                       Begeisterung allerdings einer wachsenden Skepsis. Der
                       Nutzen von genveränderten Nahrungsmitteln mag
                       Konsumentinnen und Konsumenten nicht einleuchten. Die
                       Risiken dagegen werden konkret: GVO-Mais zum Beispiel
                       vernichtet nicht nur Schädlinge, sondern auch Nützlinge. Die
                       bekämpften Schädlinge werden resistent, das eingepflanzte
                       Insektengift verseucht Bodenbakterien, Gentech-Pollen
                       befruchten Wildpflanzen.

                       Der Zeitpunkt für eine Denkpause ist gekommen. Die EU zieht
                       mit einem Bewilligungsstopp vorläufig die Notbremse. Und
                       was setzt der Bundesrat in die Welt? Er verzichtet sowohl auf
                       ein Freisetzungsverbot als auch auf ein Moratorium und führt
                       lediglich eine Bewilligungspflicht ein. Gewiss, die Hürden für
                       die Erlaubnis, künftig eine genveränderte Pflanze freizusetzen,
                       sind hoch, höher als heute. Die von den Behörden bisher
                       abgelehnten Gesuche hätten auch in Zukunft keine Chance.

                       Trotzdem wäre ein Moratorium die konsequentere Antwort auf
                       die gegenwärtige Entwicklung. Es würde eindeutig
                       ausschliessen, dass ein vorerst noch unbekanntes Risiko
                       durch die Maschen des Bewilligungsverfahrens fällt. Zudem
                       entspräche es der geltenden Landwirtschaftspolitik, die von
                       den Bauern verlangt, dass sie naturnahe und gesunde
                       Lebensmittel produzieren.

                       Der Bundesratsentscheid ist auch politisch unklug. Er treibt
                       die Genkritiker zu einer Volksinitiative, um ein
                       Freisetzungsverbot in der Verfassung zu verankern. Die
                       Chancen eines solchen Begehrens stehen nicht schlecht bei
                       einer Bevölkerung, die durch Lebensmittelskandale
                       verunsichert ist. Das Verbot würde dann auch für
                       Gentech-Pflanzen gelten, deren Unbedenklichkeit später
                       vielleicht nachgewiesen werden kann.