Erst nach 30 Jahren verjähren Schäden, die
GVO-Organismen verursachen. Die Versicherer rätseln,
wie sie Prämien berechnen sollen.
Von Urs Buess, Bern
Ein Biobauer entdeckt, dass sein Mais durch den Pollenflug
eines GVO-Maisfeldes verunreinigt worden ist und er sein
Produkt nicht mehr zu einem höheren Preis verkaufen kann.
Er fordert von seinem Berufskollegen Schadenersatz. Falls
dieser seinen GVO-Mais gemäss den Anweisungen des
Saatgutherstellers ausgesät hat, wird dieser
schadenersatzpflichtig. So jedenfalls schlägt es der Bundesrat
in der Gen-Lex vor.
Glückliche Bauern
Zufrieden sind die Bauern. Die Frage der Haftpflicht ist für sie
die wichtigste in diesem Gesetzespaket, wie der Vizedirektor
des Schweizerischen Bauernverbands, Josef Wüest, sagt. Der
bundesrätliche Vorschlag macht klar den Hersteller für
allfällige Schaden haftbar und nicht den Anwender, also den
Landwirt. Für den Bauernverband sei dieser Entscheid
wichtiger als die Frage "Moratorium oder Bewilligungspflicht".
Wüest ist überzeugt, dass beide Entscheide das gleiche
bewirken würden: "In den nächsten fünf bis sechs Jahren
gibt
es ohnehin keine Freisetzungen."
Weniger glücklich sind die Versicherungen mit der
vorgesehenen Regelung zur Haftpflicht. Wenn die
Saatguthersteller die Schäden versichern wollen, die ihre
Produkte möglicherweise verursachen, so wissen die
Versicherer nicht, wie sie die Prämien berechnen sollen.
Erstens ist der Umfang der Risiken nicht absehbar. Durch
Pollenflug verunreinigte Maisfelder sind relativ harmlos,
verglichen mit Schreckensszenarien, welche
Gentech-Skeptiker verbreiten. Was, wenn sich zeigt, dass
eine Getreideart Allergien auslöst oder dass GVO-Organismen
Wildpflanzen verändern?
Druck auf das Parlament
Doch nicht nur bei der Art der Risiken betreten die
Versicherungen Neuland. Neu und in Europa einzigartig ist die
Verjährungspflicht von 30 Jahren - andernorts beträgt sie zehn
Jahre. Es ist theoretisch denkbar, dass Gentech-Lebewesen
oder -Pflanzen Schäden verursachen können, die tatsächlich
erst drei Jahrzehnte später erkannt werden. "Es fehlen uns die
Erfahrung und die statistischen Angaben, um diese Risiken
und entsprechend die Versicherungsprämien zu berechnen",
sagt Anita Raflaub vom Schweizerischen
Versicherungsverband. Das werde in der parlamentarischen
Beratung der Gen-Lex mit Sicherheit noch zu reden geben.
Was im Klartext heisst: Vertreter der Versicherungsbranche
im Parlament werden die Verjährungszeit zu verkürzen
versuchen. Bis jetzt allerdings ohne die Unterstützung der
Pharmaindustrie, denn diese ist so überzeugt von der
Unbedenklichkeit der GVO-Produkte, dass sie mit den 30
Jahren bestens leben kann.
Wie immer auch das Parlament entscheiden wird, klar ist,
dass der Kläger beweisen muss, ein GVO-Organismus habe
einen Schaden verursacht. Die blosse Vermutung genügt
nicht. Denn es liegt nicht am Hersteller, den Beweis zu
führen, sein Produkt habe nichts mit dem Schaden zu tun.