Eine Antwort an Goethe und Spielberg

                       Aus der Sicht des Bundesrates bleibe auch mit der
                       Gen-Lex die Genmanipulierung an strenge Auflagen
                       gebunden. Die Umweltverbände sehen das aber
                       entschieden anders.

                       Von Jean-Martin Büttner, Bern

                       Umweltminister Moritz Leuenberger, in der Sache beim
                       Bundesrat mehrheitlich unterlegen, nennt an der
                       Pressekonferenz von gestern Mittwoch demonstrativ die
                       Risiken der Gentechnologie vor ihren Chancen. Zu Ersteren
                       zählt er die unkontrollierbaren Wirkungen von
                       genmanipulierten Organismen nach ihrer Freisetzung,
                       "Stichworte Zauberlehrling oder Gremlins, Goethe und
                       Spielberg, je nachdem". Konkret könnten zum Beispiel
                       Tiersorten gezüchtet werden, die sich mit frei lebenden Tieren
                       paaren würden; auch Pflanzen könnten auf diese Weise
                       verändert nehmen.

                       Die Gentechnologie biete aber auch Chancen, räumt der
                       Sozialdemokrat ein: etwa im biomedizinischen Bereich beim
                       Kampf gegen Krebs, Aids und Alzheimer; oder in der
                       Landwirtschaft, wo resistente Sorten Pestizide überflüssig
                       machen und salzresistente Pflanzen die Begrünung der
                       Wüste ermöglichen könnten.

                       30 Jahre Haftpflicht

                       Also gehe es darum, die Risiken der Gentechnik zu mindern
                       und ihre Chancen zu mehren. Beides wird in der
                       GenLex-Vorlage als Bestandteil des Umweltschutzgesetzes
                       neu fixiert: Mit genau geprüften Gesuchen um Freisetzung
                       gentechnisch veränderter Organismen, einer strengen Haftung
                       der Hersteller (siehe Kasten) sowie einer ausgebauten
                       Deklaration zuhanden der Konsumenten.

                       Während sich der Umweltminister mit der Verlängerung der
                       Haftpflicht von 10 auf 30 Jahren beim Bundesrat durchsetzen
                       konnte, ist er bei der Bewilligungspflicht unterlegen. Er selbst
                       hätte ein Verbot solcher grossräumiger Freisetzungen
                       bevorzugt, während sein Bundesamt für Umwelt als
                       Kompromiss ein zehnjähriges Moratorium empfahl.

                       Keine Liberalisierung

                       Die Bewilligungspflicht wird erst in der Verordnung detailliert.
                       Klar ist aber jetzt schon, dass jedes Gesuch einzeln geprüft
                       wird und der Gesuchsteller seinen Antrag genau begründen
                       und dokumentieren muss; auch sind die Akten einsehbar.
                       Steht das Gesuch im Konflikt mit "überwiegenden öffentlichen
                       Interessen", sagt Leuenberger, werde es verweigert. Auf
                       Nachfrage präzisiert er, dass zwei bereits abgelehnte
                       Gesuche - in Oftringen und Changins - auch nach der neuen
                       Gesetzgebung abgelehnt würden; es sei somit "keine
                       liberalere Vorlage" beschlossen worden.

                       Die erweiterte Deklarationspflicht schliesslich versteht der
                       Bundesrat als Teil einer verbesserten Information. Die
                       Konsumentinnen und Konsumenten sollten wählen können,
                       schreibt er, "ob sie gentechnisch veränderte Produkte kaufen
                       wollten oder nicht". Dazu kann er zum Beispiel Toleranzwerte
                       für gentechnisch verunreinigte Produkte einführen.

                       Die Bestimmungen sollen Artenschutz, biologische Vielfalt
                       und die Würde der Kreatur garantieren. Allerdings könnten
                       diese Schutzziele "miteinander in Konflikt geraten", schränkt
                       Leuenberger sofort ein, und auch die Frage der Würde könne
                       "schwierige ethische Probleme stellen". Ihre Lösung obliegt
                       der bereits gegründeten ethischen Kommission.

                       Schon dieser Punkt weckt den Argwohn der Umweltverbände,
                       denen die Kontrolle der Gentechnik viel zu wenig weit geht. So
                       habe die Ethikkommission die Würde der Kreatur zu
                       schützen, sagt etwa Daniel Amman von der Schweizer
                       Arbeitsgruppe Gentechnik, operiere aber ohne Weisungsrecht
                       und drohe deshalb im Konflikt mit Wirtschaftsinteressen zu
                       unterliegen. Noch mehr beunruhigt ihn, dass das sogenannte
                       Monitoring, also die dauernde Überwachung von
                       Gentech-Projekten und ihren Auswirkungen auf die Umwelt,
                       zu unverbindlich formuliert sei. "So bleibt ein hoher Grad an
                       Unsicherheit" sagt er. Die Umweltverbände prüfen schon eine
                       Initiative, die das korrigieren soll.