Der Bundesratsentscheid zur Gentechnologie löst bei
Wirtschaft und Umweltverbänden Skepsis, bei der
Pharmaindustrie allerdings Zustimmung aus.
Von Jean-Martin Büttner und Urs Buess, Bern
Das "allerletzte Wort" sei noch nicht gesprochen, sagte
Umweltminister Moritz Leuenberger am Mittwoch viel sagend,
und in der Tat: Die neuen Gesetzestexte zur Freisetzung
genmanipulierter Pflanzen werden im Parlament noch heftig zu
reden geben. Die Umweltverbände beurteilen die
Einschränkungen der Gen-Lex als ungenügend, die
Wirtschaftskreise halten sie für zu umfassend.
"Strenge Bewilligungspflicht"
Der Bundesrat selbst beantragt eine "strenge
Bewilligungspflicht" für die Freisetzungen von gentechnisch
veränderten Organismen und verspricht, jeden Einzelfall
eingehend zu prüfen. Ausserdem haftet jetzt ausschliesslich
der Hersteller solcher Organismen für allfällige Folgeschäden,
wobei die absolute Verjährungsfrist von zehn auf dreissig
Jahre erhöht wird. Schliesslich will der Bundesrat
Transparenz, Akteneinsicht und Kommunikation verbessern.
Zur Transparenz gehört, dass der Bundesrat die
Deklarationspflicht für gentechnisch veränderte Organismen
mit Toleranzwerten verschärfen und auch so genannte
Negativ-Deklarationen einführen kann, was heisst:
Gentech-freie Organismen können als solche ausgewiesen
werden. Mit solchen Bestimmungen sollen Artenschutz,
biologische Vielfalt sowie die Würde der Kreatur garantiert
werden. Für Letztere ist die 1998 einberufene
Ethikkommission zuständig.
Trotz oder wegen dieser Einschränkungen der Gentechnik
markieren Interessenvertreter beider Seiten Zurückhaltung.
Insbesondere die verschärfte Haftpflicht für den Hersteller löst
in Wirtschaftskreisen Unwillen aus. Eine solche Regelung
gebe es ihres Wissens weltweit nicht, sagt eine Sprecherin
des Versicherungsverbands gegenüber der
Depeschenagentur. Auch der Vorort sowie der Pharmaverband
Interpharma halten eine solche pauschale Haftung für
problematisch. Abweichend von den Wirtschaftsverbänden
erklären sich dafür Interpharma und auch Novartis mit der
Verlängerung der Haftpflicht "als vertrauensbildender
Massnahme" einverstanden.
"Hoher Grad der Unsicherheit"
Deutlich unzufriedener reagieren die Umweltverbände. "Ein
zehnjähriges Moratorium wäre auf jeden Fall besser
gewesen", sagt Daniel Ammann von der Schweizer
Arbeitsgruppe Gentechnik auf Anfrage. Und beklagt trotz den
bundesrätlichen Einschränkungen einen "hohen Grad an
Unsicherheit und Umweltgefährdung". So sei die Überwachung
freigesetzter Organismen ungenügend geregelt, und auch die
so genannte Würde der Kreatur könne gegen
Wirtschaftsinteressen nicht verteidigt werden. Schon deshalb
werde es um die Gen-Lex "politisch nicht ruhiger" werden,
warnt er; die Umweltverbände prüfen bereits eine
"korrigierende Initiative".