Für die Schweizerische Forschungs- und Bildungslandschaft bildet
die Gen- und Biotechnologie vor allem in der Grundlagenforschung der Biologie
und Medizin eine unverzichtbare Technik. In Übereinstimmung mit der
Stellungnahme der Schweizerischen Konferenz der Wissenschaftlichen Akademien
(CASS) zur Gentechnologie halten wir an dieser Stelle nochmals fest, wie
wichtig es für die SANW ist, dass die Anwendungen dieser neuen Technologie
klar und schnell geregelt werden. Wir unterstützen deshalb das Vorhaben
der Gen-Lex, bestehende Gesetzeslücken so schnell als möglich
zu schliessen.
Würde der Kreatur / Schutz der Artenvielfalt / Nachhaltige Nutzung
Grundsätzlich haben wir Bedenken gegenüber dem zu selbstverständlichen
Umgang mit den stehenden Begriffen «Würde der Kreatur»,
«Schutz der Artenvielfalt» und «Nachhaltige Nutzung biologischer
Ressourcen». Dies deshalb, weil der Inhalt dieser Begriffe letztlich
vage bleibt und deshalb dauernd interpretationsbedürftig sein wird.
Die SANW anerkennt allerdings, dass damit eine Marschrichtung markiert
wird, welche sie mittragen kann.
Zu reden gab innerhalb der Akademie insbesondere die Einführung
des Begriffs «Würde der Kreatur» im Umweltschutzgesetz.
Wie die «Erläuterungen zum Vorentwurf» deklarieren, ist
beim gewählten «Lösungsansatz nicht zu übersehen,
dass verschiedene der neuen allgemeinen Bestimmungen wenig mit den bisherigen
Zwecken und Ausrichtungen des Umweltschutzgesetzes zu tun haben».
Die Akademie nimmt zur Kenntnis, dass der konsequente Einbau der begrifflichen
Dreiheit «Schutz der Artenvielfalt», «Nachhaltige Nutzung
biologischer Ressourcen», «Wahrung der Würde der Kreatur»
sowie weiterer Bestimmungen (z.B. Deklarationspflicht) eine Notlösung
ist, welche auftragsgemäss die Schaffung eines Rahmengesetzes Gentechnologie
zu vermeiden half.
Ethikkommission
Die SANW hält die Schaffung einer Ethikkommission ebenfalls für
notwendig. Sie verweist aber mit einem gewissen Unbehagen auf die Tendenz,
die heiklen Fragen offen zu lassen und an die Ethikkommission zu delegieren,
zumal deren Stellungnahme ja nicht bindend ist. Die SANW erwartet vom Gesetzgeber,
dass er seine Verantwortung mutiger wahrnimmt und zumindest auf Verordnungsstufe
konkret regelt.
Die Arbeit und die Schlussfolgerungen der Ethikkommission wird sehr
von ihrer Zusammensetzung abhängen. Die SANW drängt darauf, dass
für eine starke Vertretung der Naturwissenschaften und der medizinischen
Wissenschaften in dieser Kommission gesorgt wird, damit die Aktualität
des Fachwissens der Kommission garantiert ist und sich die Entscheide der
Kommission einer auch aus naturwissenschaftlicher Sicht eindeutigen, korrekten
und damit umsetzbaren Terminologie bedienen können. Der SANW ist es
aber auch wichtig, dass das ethische Bewusstsein der Naturwissenschaften
zum Tragen kommt.
Die SANW erachtet es als wichtig, dass die Ethikkommission Ihre Arbeit
so bald als möglich aufnimmt.
Dialog mit der Öffentlichkeit
Im Zusammenhang mit der Gentechnologie erachtet die SANW die Information
als äusserst wichtig. Aber auch ganz allgemein, wenn es um neue Erkenntnisse
in den Naturwissenschaften und die daraus folgenden Perspektiven geht,
gewichtet die SANW den Dialog mit der Öffentlichkeit sehr hoch.
Absichtserklärungen in diese Richtung finden sich auch in der Gen-Lex-Vorlage, doch würde die SANW verbindlicheren Ausführungen den Vorzug geben. ZB. Artikel 51a: Der "Dialog mit der Öffentlichkeit" müsste näher umschrieben werden, damit klar wird, dass es hier wirklich nicht um Einweg-Kommunikation geht. Oder: Wie wird die Ethikkommission mit der Öffentlichkeit kommunizieren? (Art. 29i, Abs. 2 Bst d). Auch hier sollte der Informationsauftrag ausgedehnt werden zu einem Dialogsauftrag. Ein wirklicher Dialog brächte der Ethikkommission die Chance ethische Einschätzungen aus der Bevölkerung aufzunehmen und in ihre Erwägungen einzubeziehen.
Die SANW wird sich dafür einsetzen, dass diesem Punkt auch nach
einem Nein zur Initiative Rechnung getragen wird und die entsprechenden
finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Vorschläge und Anmerkungen im Detail
Umweltschutzgesetz
Artikel 1 Absatz 1
Die gewählte Lösung, allein die Würde der Kreatur von
Pflanzen und Tiere zu berücksichtigen, und nicht von Mikroorganismen,
erscheint uns zweckmässig. Aus naturwissenschaftlicher Sicht müssen
wir allerdings darauf aufmerksam machen, dass die Grenzziehung von Tieren
und Pflanzen zu Mikroorganismen nicht in jedem Fall eindeutig ist.
Artikel 29
Die SANW begrüsst die grösstenteils sachgerechten Bestimmungen
zum Umgang mit Organismen, insbesondere zur Regelung von Freisetzungen.
Art. 29a Abs. c 2:
Diese Aussagen können wir inhaltlich vollumfänglich unterstützen.
Allein im Umweltschutzgesetz scheint sie uns fehl am Platz. Vergleiche
auch die Bemerkungen zum Stichwort «Würde der Kreatur».
Art. 29d Abs. 1 Bst. b
Gerade im Zusammenhang mit den Seitens der Agrarwirtschaft geäusserten
Bedenken im Zusammenhang mit der Haftpflicht enthält dieser Absatz
klärende Bestimmungen.
Art. 29 d, Abs. 2
Deklaration: Problematisch in Fällen wo Kontrollen mangels Nachweismethoden
nicht möglich ist. Die Deklaration von Gegenständen usw., die
gentechnisch veränderte Organismen «enthalten könnten»
ist für uns nicht nachvollziehbar. Hingegen unterstützen wir
die neue Möglichkeit der Negativ-Deklaration.
Art. 29 g Abs. 1, 2
Die «kann»-Formulierung in Absatz 1 und 2 ist angesichts
der angesprochenen Gefährlichkeit unbefriedigend. Sie sollte durch
eine bindende Formulierung ersetzt werden. Für Absatz 2 schlagen wir
vor:
Insbesondere:
a: regelt er das Herstellen, den Transport sowie ...
d ordnet er Massnahmen zum Schutz und zur Erhaltung ...
e sieht er im Zusammenhang mit Bewilligungsverfahren ... vor
f schreibt er Technologiefolgen-Abschätzungen vor ...
Art. 29 g Abs. 3
Wir nehmen an, dass hier insbesondere die Ergebnisse von Prüfungs-
und Zulassungsverfahren und andere Fachexpertisen gemeint sind. In der
Überzeugung, dass nur eine gut informierte Bevölkerung eine Technologie
wie die Gentechnologie mittragen kann, misst die Akademie dieser Regelung
hohen Wert zu und hofft auf eine möglichst grosszügige, bürgerInnennahe
und unbürokratische Realisierung auf Verordnungsebene und auf eine
ebensolche Handhabung in der Praxis.
Art. 29 g bis
Würde den Bedürfnissen der Wissenschaft in Forschung und
Lehre sehr entgegenkommen.
Art. 29 i
Eine starke Vertretung der Naturwissenschaften und der medizinischen
Wissenschaften in der Ethikkommission erscheint uns unumgänglich,
wenn sichergestellt werden soll, dass die Kommission auf dem aktuellen
Stand der Dinge ist. Das Gesetz sollte eine entsprechende Quote, z.B. die
Hälfte, festschreiben. Zu Beachten unser allgemeiner Kommentar zum
Thema Ethikkommissionen.
Artikel 41 Abs 2 bis
Aus Sicht der naturwissenschaftlichen Forschung absolut zwingend: folglich
nicht «kann», sondern «bezeichnet».
Artikel 51 a
Zu vage. Es ist absolut zu vermeiden, dass diese Aufgabe in Form eines
jährlichen Berichts für das Parlament oder einer dürren
Pressemitteilung erledigt wird. Vorschlag: den Bund auf die «modernen
Methoden für Mitwirkungsverfahren in Gemeinwesen» (Vergleiche
Studie EDI/EJPD) , z.B. Konsenskonferenzen (Methode der Technologiefolgen-Abschätzung)
verpflichten.
Artikel 59a Abs 1 bis
Es sollte sichergestellt werden, dass diese Bestimmung nicht beispielsweise
Landwirte haftbar macht für allfällige Unzulänglichkeiten
der Zulieferindustrie.
Art. 59 c - e
Die SANW begrüsst insbesondere die Fristverlängerungen.
Produktehaftpflichtgesetz
Art. 3 Absatz 2
Es sollte sichergestellt werden, dass diese Bestimmung nicht beispielsweise
Landwirte haftbar macht für allfällige Unzulänglichkeiten
der Zulieferindustrie.
Tierschutzgesetz
Tierschutzgesetz Art. 7b Abs. 2
Vergleiche Anmerkungen zu Kommissionen
Art. 7b Absatz 3
Würde den Bedürfnissen der Wissenschaft in Forschung und
Lehre sehr entgegenkommen.
Art. 19a Absatz 4
Eine möglichst offene Informationspolitik wäre wünschbar
und könnte vertrauensbildend wirken.
Lebensmittelgesetz
Art 12 Abs. 1 bis
Wir nehmen an, dass hier insbesondere die Ergebnisse von Prüfungs-
und Zulassungsverfahren und andere Fachexpertisen gemeint sind. In der
Überzeugung, dass nur eine gut informierte Bevölkerung eine Technologie
wie die Gentechnologie mittragen kann, misst die Akademie dieser Regelung
hohen Wert zu und hofft auf eine möglichst grosszügige, BürgerInnen-nahe
und unbürokratische Umsetzung auf Verordnungsebene und auf eine ebensolche
Handhabung in der Praxis.
Epidemiengesetz
Artikel 27 Absatz 3
Aus Gründen des Daten- und Personenschutzes muss unbedingt präzisiert
werden, in welchen Fällen und aus welchen Interessen solche Informationen
weitergegeben werden dürfen. Insbesondere muss klar sein, dass Krankenkassen
und Versicherungen nicht gemeint sind.
Landwirtschaftsgesetz
Artikel 157 Abs. 2 Bst. a
Einfuhr und Inverkehrbringen von landwirtschaftlichen Hilfsstoffen,
die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solchen
enthalten, sollten zwingend der Zulassungspflicht unterstellt werden.
SANW, 23. März 1998