Gen-Lex - wird gut, was lange währt?

                   Mehr als eineinhalb Jahre hat die Berner Administration über dem Gen-Lex-Dossier
                   gebrütet, seit der Souverän die Genschutzinitiative im Juni 1998 deutlich verwarf.
                   Bereits im Dezember 1997 hatte der Bundesrat ein pfannenfertiges Konzept für
                   die Gentechnik-Gesetzgebung präsentiert - Gen-Lex eben -, mit dem er die
                   Genschutzinitiative erfolgreich bekämpfte. Nach dem Wechsel der Federführung
                   (vom Veterinäramt im Departement Couchepin zum Bundesamt für Umwelt im
                   Departement Leuenberger), nach Irrungen und Wirrungen um Freisetzungsverbote
                   und -moratorien hat die Regierung endlich das Paket geschnürt.

                   Wird nun gut, was lange währt? In der Substanz weicht die definitive Vorlage des
                   Bundesrates zuhanden der Bundesversammlung nicht mehr so stark vom
                   ursprünglichen Entwurf ab, wie es zwischendurch den Anschein machte. Den
                   Antrag von Umweltminister Moritz Leuenberger, ein Freisetzungsverbot für
                   gentechnisch veränderte Pflanzen zu verhängen, hat das Regierungskollegium zu
                   Recht vom Tisch gefegt (vgl. NZZ 8. 1. und 13. 1. 2000). Es ist zum Modell der
                   Einzelfallprüfung zurückgekehrt: Die Bewilligung wird erteilt, wenn eine Freisetzung
                   von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) die Sicherheitskriterien erfüllt,
                   die Würde der Kreatur respektiert und die biologische Vielfalt nicht gefährdet.

                   Auch bei der Verschärfung des Haftpflichtrechts hält der Bundesrat an der
                   Ausdehnung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre fest - gegen Anfechtungen von
                   seiten der Versicherungswirtschaft, die lieber kürzere Verjährungsfristen gesehen
                   hätte. Den Bauern zuliebe schiesst die Regierung aber mit der neuen Norm übers
                   Ziel hinaus, wonach ausschliesslich der Hersteller von GVO für Schäden haftet. Der
                   Saatguthersteller soll selbst für finanzielle Einbussen haften, die ein (Bio-)Bauer
                   erleidet, wenn seine Pflanzen mit gentechnisch verändertem Pollen bestäubt
                   werden. Hier wird nicht jener benachbarte Landwirt in Pflicht genommen, der
                   Sicherheitsabstände missachtet, sondern direkt der Saatgutproduzent. Zwar hat
                   er ein Rückgriffsrecht gegen den fehlbaren Landwirt. Doch die Beweislast trägt der
                   Hersteller, ebenso das Risiko, dass der Bauer nicht zahlungsfähig ist.

                   Sollte die Versicherungswirtschaft ihre Drohung tatsächlich wahr machen und den
                   Versicherungsschutz bei einer solchen Regelung verweigern, könnte das einem
                   Gentechnologie-Moratorium durch die Hintertüre gleichkommen: Das
                   Haftungsrisiko könnte so gross werden, dass die Anwendung von Gentechnik
                   wirtschaftlich unattraktiv, ja untragbar würde. Die Haftungsnorm der Gen- Lex
                   muss in diesem Punkt also nachgebessert werden.

                   Ob tatsächlich gut wird, was lange währt, hängt ausser von den bevorstehenden
                   zähen Beratungen im Parlament dann wiederum von der Exekutive ab. Sie hat es
                   in der Hand, die abstrakten Gesetzesartikel durch Vollzugsnormen für den Alltag
                   auszugestalten - da besteht erheblicher Spielraum für einen eher liberalen oder
                   eher restriktiven Kurs. Carte blanche erhält das Buwal (Bundesamt für Umwelt,
                   Wald und Landschaft) letztlich bei den Freisetzungen. «Bewilligungen können
                   verweigert werden, wenn überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen»,
                   hält der einschlägige Gesetzestext lapidar fest. Über die Frage, was denn
                   «überwiegende öffentliche Interessen» sind, herrscht etwa gleich viel Einigkeit wie
                   darüber, was das «Gemeinwohl» ist. Eine Expertin für Gentechnikrecht, die Basler
                   Anwältin Beatrice Wagner Pfeifer, nannte das an einer Fachtagung treffend: «die
                   Allmacht der Bewilligungsbehörde».

                   bst.

                   Neue Zürcher Zeitung, 20. Januar 2000