Bern, 31. März 1998
Gen-Lex-Vorlage
Vernehmlassungsantwort der SCHWEIZERISCHEN VOLKSPARTEI
(SVP)
Sehr geehrter Herr Bundesrat
Wir danken Ihnen für die Einladung, im Rahmen des
Vernehmlassungsverfahrens zum Vorentwurf der
Gen-Lex-Vorlage Stellung nehmen zu können, und äussern
uns
zu den vorliegenden Vorschlägen wie folgt:
I. Grundsätzliche Bemerkungen
Die SVP begrüsst die Gen-Lex-Vorlage, da es zweifellos
nötig ist, dass die Schweiz eine konsistente und kohärente
Regelung in bezug auf das Gentechnikrecht erhält. Nach
der Realisierung der Gen-Lex-Vorlage wird unser Land über
ein umfassendes Gesetzeswerk betreffend die Gentechnologie
im ausserhumanen Bereich verfügen, das jedem internationalen
Vergleich standhalten kann. Nicht zuletzt erachtet es die SVP
als äusserst positiv, dass der Bundesrat sehr rasch gehandelt
und die Vorlage termingerecht den Vernehmlassern unterbreitet
hat. Die SVP hofft, dass der Bundesrat die Behandlung der
Vorlage im gleichen speditiven Tempo weiter vorantreibt.
Im weiteren stellt die SVP mit Befriedigung fest, dass sämtliche
Punkte der Gen-Lex-Motion im nun vorliegenden Vorentwurf
enthalten sind. Dem Ziel dieser Gen-Lex-Motion – die Risiken
der Gentechnologie auf ein Minimum zu begrenzen sowie
Missbräuche zu verhindern – folgend, hat der Bundesrat mit
der
Gen-Lex-Vorlage ein angemessenes und wirkungsvolles
Schutzinstrumentarium vorgelegt.
Regelungen, welche die SVP im Vorentwurf vermisst, betreffen
klare Äusserungen zur Patentierung von Produkten und
Lebewesen, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO)
enthalten. Für die Schweiz, die über keine Rohstoffe
verfügt, ist
der Schutz des geistigen Eigentums von grundlegender
Bedeutung. Da Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit
der
Wirtschaft eines der wichtigsten Rohmaterialien unseres Landes
sind, kann es sich die Schweiz in der Patentfrage nicht leisten,
ein Inseldasein zu fristen. Die rechtliche Regelung der
Patentierbarkeit muss daher international erfolgen: Die
Zugehörigkeit zum Europäischen Patentübereinkommen
(EPU)
und zur Welthandelsorganisation (WTO) ist für die Schweiz
in
diesem Zusammenhang unerlässlich. Ebenfalls sind bei den
Fragen der Patentierbarkeit in der Biotechnologie
Übereinstimmungen mit den Richtlinien der USA sowie jenen
von Japan anzustreben.
Die SVP verlangt aus den oben angeführten Gründen, dass
entsprechende gesetzliche Bestimmungen in die
Gen-Lex-Vorlage oder ins Schweizerische Patentrecht
aufgenommen werden: einerseits im Interesse der KMU, die
ihre in die Gentechnologie getätigten Investitionen nur
aufgrund
eines Patentrechts auf Erfindungen und Erzeugnissen wieder
amortisieren können, und anderseits auch im Interesse der
Landwirtschaft, der ein sogenanntes Landwirteprivileg –
uneingeschränkt und ohne finanzielle Belastung – zugestanden
werden muss. Dabei ist ein vernünftiger Mittelweg
einzuschlagen, denn es kann nicht der Sinn sein, weder eine
schrankenlose Patentierbarkeit noch ein generelles
Patentierungsverbot einzuführen. Dieser Kompromiss kann
wohl nur im direkten Dialog mit den betroffenen Kreisen
gefunden werden.
Aus rein orientierungstechnischer und
gesetzesmethodischer Sicht stellt sich für die SVP jedoch
die Frage, ob ein kurzes Grund- oder Koordinationsgesetz
nebst den bereichspezifischen Erlassen nicht die bessere
Lösung wäre, als das ganze Bündel von allgemeinen
Bestimmungen im Umweltschutzgesetz (USG) regeln zu
wollen.
Zwar enthält das USG bereits wesentliche Bestimmungen mit
gentechnischem Bezug. Diese betreffen aber explizit den Schutz
der Umwelt. Für die SVP macht es wenig Sinn, dass allgemeine
Regelungen zur Gentechnologie im USG verankert werden.
Sowohl aus Gründen der Transparenz und der Rechtssicherheit
als auch mit Blick auf den Koordinationsbedarf erachtet die
SVP – im Gegensatz zu der vom Bundesrat vorgeschlagenen
Lösung – eine Sonderregelung des allgemeinen Teils (mit
Verweis auf spezifische Regelungen in den Sondergesetzen zu
den einzelnen Bereichen) als sehr zweckmässig und sinnvoll.
II. Detailbemerkungen
a) Ethikkommission
Die Ethikkommission übernimmt die
Aufgabe der
laufenden Überprüfung der
Einhaltung der
ethischen Grundsätze. Dieser Aufgabe
kommt
nicht zuletzt mit Blick auf den unabdingbaren
und
dringend nötigen Dialog mit der
Öffentlichkeit
zweifellos grosse Bedeutung zu.
Bereits seit 1996 existiert eine Eidg.
Kommission
für biologische Sicherheit (gemäss
USG Art. 29h).
Diese Kommission hat unter anderem die
Funktionen der bisherigen privaten
Interdisziplinären Schweizerischen
Kommission
für biologische Sicherheit übernommen,
die seit
1986 eine (freiwillige) Registrierung
und Beratung
von Forschungsprojekten betreffend die
Gentechnik durchführte. Angesichts
der hohen
Anzahl von Eidg. Kommissionen sowie
der
ähnlich gelagerten Aufgaben der
erwähnten
Kommission für biologische Sicherheit
und der
neu vorgesehenen Ethikkommission drängt
sich
die Frage auf, ob nicht eine gemeinsame
neue
Kommission mit einem umfassenden
Aufgabenbereich geschaffen werden kann
oder
soll.
b) Tierschutzgesetz
Es war höchste Zeit, dass nun im
Zusammenhang
mit der Gentechnik die dringend notwendigen
und
seit längerem versprochenen Korrekturen
im
Bereich der Tierzucht erfolgen. Die
SVP begrüsst
die vorgenommenen Änderungen.
c) Haftung
Für die SVP bestehen in bezug auf
die Haftung
einige offene Fragen, die noch beantwortet
werden müssen. Wesentlich erscheint
der SVP
dabei, dass mit den Direktbetroffenen
der
konstruktive Dialog gesucht wird. Weitere
Bemerkungen zur Haftungsfrage folgen
weiter
unten bei den entsprechenden Artikeln.
d) Transparenz und Deklaration
Die Kennzeichnungspflicht als Voraussetzung
zur
Transparenz und Wahlfreiheit für
die
Konsumentenschaft ist sehr zu begrüssen.
Um die
Information der Öffentlichkeit
zu verbessern und
damit vertrauensbildend zu wirken, erachtet
es die
SVP als geeignet, Unterlagen – sofern
nicht
übergeordnete Gründe für
die Vertraulichkeit
vorliegen – offenzulegen. Als sehr wertvoll
erscheint der SVP auch die neue Möglichkeit
der
sogenannten (freiwilligen) Negativ-Deklaration
für
Produzenten, die auf gentechnische Verfahren
verzichten und Produkte ohne GVO herstellen.
e) Würde der Kreatur, Nachhaltigkeit
Das Einsetzen der Ethikkomission, die
den
Bundesrat sowie die zuständigen
Behörden
beraten soll, und die Verschärfung
des
Tierschutzgesetzes mit der generellen
Bewilligungspflicht gemäss Güterabwägung
sowie
die Verankerung des Grundsatzes der
Nachhaltigkeit im USG sind für
die SVP
wesentliche Elemente, die eine sinn-
und
verantwortungsvolle sowie kontrollierte
Anwendung der Gentechnik in der Schweiz
garantieren.
III. Besondere Bemerkungen zu einzelnen Artikeln
Umweltschutzgesetz (USG)
Art. 29d Abs. 2
"...oder enthalten könnten..." (Zeile 2): streichen
Dieser Passus trägt nicht zur erwünschten Transparenz
bei und
sorgt zugleich für Unklarheiten. Dies dient weder den Interessen
der Konsumenten noch der Zuweisung der klaren
Verantwortlichkeit an die Hersteller und Vertreiber. Da sich
heute bereits geringste GVO-Spuren nachweisen lassen, ist für
konventionelle Ware unbedingt ein Reinheitsgrad oder ein
Toleranz- bzw. Höchstwert festzulegen. Zweckdienlich wäre
es
dabei, wenn ein einheitlicher Begriff (Reinheitsgrad,
Toleranzwert oder Deklarationshöchstwert) zur offiziellen
Masseinheit erklärt würde.
Art. 29g Abs. 2 Bst. f
Der Begriff "Technologiefolgenabschätzungen" ist zu ersetzen
durch "Wissenschaftliche Begleituntersuchungen". Weil die
Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen
in die Umwelt bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
abschliessend untersucht worden sind, ist es notwendig, ein
sogenanntes Monitoring bzw. Langzeitbeobachtungen ein- und
durchzuführen.
Art. 59a Abs. 1bis und Abs 2 Bst. d
Hier bestehen sowohl in bezug auf den Begriff "Umgang" als
auch bei der Frage der Haftung Unklarheiten. Das Wort
"Umgang" ist zu vage und durch eine sachgerechtere
Formulierung zu ersetzen. Bezüglich der Haftungsfrage ist
ebenfalls Klarheit zu schaffen, damit nicht das Sprichwort "Die
letzten beissen die Hunde" zum Tragen kommt. Die SVP sieht
eine allfällige Lösung darin, dass Branchenverträge
gemäss
Obligationenrecht oder Vereinbarungen zwischen Anwender
und Produzenten abgeschlossen werden. Hierbei stellt sich
jedoch sofort die Anschlussfrage: Wer haftet, wenn der
Produzent nicht mehr existiert? Da dieser Artikel zur Zeit noch
etliche Unabwägbarkeiten enthält, gilt es ihn so umzugestalten,
dass den Vorbehalten aller Direktbetroffenen Rechnung
getragen wird.
Nach Meinung der SVP muss die Haftpflichtregelung
umfassend und transparent sein und in erster Linie dem
Verursacherprinzip gerecht werden. Das heisst, dass jene, die
neue Technologien entwickeln und produzieren, auch für
allfällige Schäden an Mensch und Umwelt aufkommen müssen.
Art. 59c Abs. 2
Die vorgeschlagenen Formulierung lässt völlig offen,
ob die
Frist an die Handlung des Schädigers oder an den
Schadensverlauf beim Geschädigten anknüpft. Deshalb
sollte
hier klargestellt werden, dass die Handlung des Schädigers
die
absolute Verjährung auslöst.
Art. 60 Abs. 1 Bst. k
"...oder enthalten könnten..." (Zeile 2): streichen
Begründung: siehe Art. 29d Abs. 2
Produktehaftpflichtgesetz
Art. 3 Abs. 2
Dieser Änderungsvorschlag stiftet Verwirrung und hat
Unklarheiten zur Folge. Wenn mit dem vorgeschlagenen
Wortlaut die Produktehaftung grösstenteils der Landwirtschaft
aufgebürdet würde, lehnt die SVP den Artikel strikte
ab. Für
allfällige Schäden an Mensch und Umwelt sollen jene
zur
Rechenschaft gezogen werden können, die Produkte mittels
Gentechnologie entwickelt und produziert haben. Ein Rückgriff
auf die Landwirte, welche solche Produkte verwenden und
einsetzen, scheint der SVP unhaltbar.
Tierschutzgesetz
Art. 7b Abs. 1
Analog der Einfuhr von GVO-Erzeugnissen sollte die
Bewilligung für das Erzeugen, Züchten, Halten und Verwenden
gentechnisch veränderter Tiere nicht durch die Kantone
sondern durch den Bund erteilt werden.
Landwirtschaftsgesetz
Art. 13 Abs. 1 Bst. e (neu)
Die SVP begrüsst eine klare und konsequente Deklaration,
insbesondere auch die sogenannte Negativ-Deklaration.
Diesbezüglich sind jedoch eindeutige und kontrollierbare
Kriterien festzulegen, welche es einzuhalten gilt. Eine
wesentliche Rolle spielt dabei, dass so rasch als möglich
konkrete Toleranz- bzw. Deklarationshöchstwerte festgelegt
werden.
IV. Schlussbemerkungen
Die SVP unterstützt die Gen-Lex-Vorlage in ihrer Gesamtheit
nachdrücklich, da sie die Lücken im schweizerischen
Gentechnikrecht schliesst und dieses somit vervollständigt.
Die
SVP befürwortet eine termingerechte und schnelle Umsetzung
sowie Inkraftsetzung der Vorlage und hoffen, dass die oben
angeführten Bemerkungen wohlwollend geprüft und im
Rahmen
der künftigen Arbeiten an der Vorlage berücksichtigt
werden.
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Bundesrat, unserer
vorzüglichen Hochachtung.
SCHWEIZERISCHE
VOLKSPARTEI
Der Parteipräsident
Der Generalsekretär
Ueli Maurer
Martin Baltisser
Nationalrat