An das
Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement
Bundeshaus Ost
3003 Bern
Basel, 16. Februar 1998
Betrifft: Vernehmlassung zur Gen-Lex-Vorlage
Sehr geehrte Damen und Herren
Seitens der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz -
Ares
Serono, Novartis und Roche - begrüssen wir die Gelegenheit,
zum Entwurf
der Gen-Lex-Vorlage Stellung nehmen zu können:
I. Allgemeines
Die moderne Bio- und Gentechnologie stellt für unsere Firmen
ein
wichtiges und unverzichtbares Instrument für die Zukunft
der Forschung
in der Schweiz dar. Bereits heute basiert rund ein Drittel unserer
Forschungsarbeiten in der Schweiz auf Methoden der modernen Bio-
und
Gentechnologie. Klare Regelungen, welche eine kontrollierte Anwendung
der Gentechnik erlauben und fördern, sind kongruent mit
der Entwicklung
in den Staaten der Europäischen Union. Im Gegensatz dazu
würden radikale
Verbote, wie sie in der sogenannten Genschutz-Initiative enthalten
sind,
dem Forschungs-, Denk- und Werkplatz Schweiz enormen Schaden
zufügen.
Seitens der forschenden pharmazeutischen Industrie unterstützen
wir mit
Nachdruck die Bemühungen, das schweizerische Gentechnik-Recht
auch
künftig auf klare Leitplanken zu stützen, welche die
kontrollierte
Anwendung erlauben. In diesem Sinne sehen wir die Gen-Lex-Vorlage
als
Fortsetzung des bisher eingeschlagenen Weges. Bereits heute schliesst
die
Bundesverfassung Missbräuche in der Fortpflanzungs- und
Gentechnologie aus.
Durch Anpassung bestehender Gesetze wie im Bereich des Tier-
und
Umweltschutzes wird die bereits heute bestehende klare Kontrolle
der
Gentechnik ergänzt und teils verschärft.
Seitens der Interpharma und ihrer Mitgliedfirmen wird die Gen-Lex-Vorlage
ausdrücklich begrüsst. Wir sehen diese Vorlage als
geeignet, die noch
vorhandenen Lücken im schweizerischen Gentechnik-Recht zu
schliessen. Der
Entwurf wird von uns in allen wesentlichen Punkten unterstützt.
Unsere
Detailvorschläge dienen
entsprechend bloss der Präzisierung und Vermeidung von juristischen
Interpretationsproblemen. Die Vorlage erscheint uns als geeignete
Ergänzung
zu den bestehenden Regeln im ausserhumanen Bereich, beispielsweise
der
Deklarationspflicht bei Nahrungsmitteln sowie der Kontrolle und
Bewilligungsvorschriften für den Umgang mit gentechnisch
veränderten
Organismen im geschlossenen Raum wie bei der Freisetzung in die
Umwelt. Sie
enthält namentlich fünf Eckpfeiler, die unsere ausdrückliche
Unterstützung
geniessen:
1. Ethikkommission
Wir sind der Meinung, dass die rasche Einsetzung und Ernennung
einer
Ethikkommission für die ausserhumane Anwendung der Gentechnik
von
grosser Dringlichkeit ist. In Ergänzung zu den bereits bestehenden
oder
vorgesehenen Ethikkommissionen im Humanbereich erfüllt diese
Kommission
eine wichtige Aufgabe im ausserhumanen Bereich. In Anbetracht
der Bedeutung
ethischer Fragen beispielsweise in der Tierethik, aber auch in
grundsätzlichen Fragen der biologischen Vielfalt, und der
Tatsache, dass
hinsichtlich dieser Kommission ein breiter Konsensus in und ausserhalb
des
Parlaments besteht, unterstützen wir eine rasche Ernennung
und Einsetzung
der Ethikkommission. Wir sind der Meinung, dass die Ernennung
der
Ethikkommission noch im Frühjahr (März/April 1998)
erfolgen muss. Ein
solches Vorgehen ist in dringlichen Fällen gestützt
auf das
Verwaltungsorganisationsgesetz möglich. Ein Präzedenzfall
wurde
ja bereits bei der Schaffung der Eidgenössischen Fachkommission
für
biologische Sicherheit geschaffen.
2. Tierschutzgesetz
Die vorgesehene Verschärfung des Tierschutzgesetzes wird
von uns
vollumfänglich unterstützt. Insbesondere begrüssen
wir die darin enthaltene
generelle Bewilligungspflicht für das Erzeugen, Züchten,
Halten und
Verwenden gentechnisch veränderter Tiere. Die Ausdehnung
des Grundsatzes
der Güterabwägung auf den Bereich der Tierzucht bringt
sinnvolle Schranken.
Namentlich stellt sie sicher, dass die Gentechnologie nicht zur
einseitigen
Ertragssteigerung bei der Zucht landwirtschaftlicher Nutztiere
zum Einsatz
kommt. Die Bewilligungspflicht und Güterabwägung gewährleisten
aber auch,
dass ein
in Zukunft durchaus denkbarer Einsatz der Gentechnologie zur
Förderung der
Tiergesundheit sowohl für Haustiere als auch für Nutztiere
nicht verbaut wird.
3. Haftpflicht
Seitens der Industrie stimmen wir auch der in der Gen-Lex-Vorlage
vorgesehenen Verbesserung des Haftpflichtrechts zu. Dazu gehören
insbesondere die in der Revision des Umweltschutzgesetzes vorgesehene
Verlängerung der Verjährungsfrist auf 3 bzw. 30 Jahre
sowie die Erweiterung
der Haftungsnormen.
4. Transparenz und Deklaration
Bereits heute kennt die Schweiz mit der Kennzeichnungspflicht
des
Lebensmittelrechts strenge Deklarationsvorschriften. Diese
Kennzeichnungspflicht, welche die Voraussetzung für Transparenz
und
Wahlfreiheit der Konsumenten ist, wird von uns ausdrücklich
begrüsst. Auch
die Offenlegung von Unterlagen, soweit nicht - analog zum übrigen
Umweltrecht - übergeordnete Gründe für die Vertraulichkeit
vorliegen, ist
unseres Erachtens geeignet, die Information der Öffentlichkeit
zu
verbessern und vertrauensbildend zu wirken.
5. Würde der Kreatur, Nachhaltigkeit
Die Einsetzung der Ethikkommission, welche den Bundesrat und
die
zuständigen Behörden berät, die Verschärfung
des Tierschutzgesetzes mit der
generellen Bewilligungspflicht gemäss Güterabwägung
und die Verankerung des
Grundsatzes der Nachhaltigkeit im Umweltschutzgesetz sind wichtige
Elemente
für eine sinnvolle und kontrollierte Anwendung der Gentechnik
in der Schweiz.
II. Detailbemerkungen
In Art. 29 d Abs. 2 USG sollten auf der Zeile 2 die Worte "oder
enthalten
können" gestrichen werden. Dieser Passus sorgt für
Unklarheiten und nicht
für Transparenz, was auch den Interessen der Konsumentenschaft
nicht dient.
Insbesondere droht sie die klare Verantwortlichkeit des Herstellers
und
Vertreibers hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht zu verwässern.
Weiter
würde eine solche Formulierung den begrüssenswerten
Bestrebungen zur
Festlegung von Reinheitsgrenzen zuwiderlaufen. Im übrigen
sind wir der
Meinung, dass sich die Kennzeichnungspflicht an die Regelungen
der EU
anlehnen sollte, wenn diese einmal geklärt sind. In
Art. 29 g Abs. 2 lit.
f ist der Begriff "Technologiefolgenabschätzungen" zu eng;
es sollten hier
ganz allgemein "wissenschaftliche Begleituntersuchungen" angesprochen
werden.
Die Offenlegungsvorschrift von Art. 29 g Abs. 3 USG wird von uns
in der
vorliegenden Formulierung ausdrücklich unterstützt.
Die Offenlegung der
Unterlagen in geeigneter Form ist eine wichtige Massnahme für
Transparenz
und Vertrauensbildung. Vorbehalten soll jedoch weiterhin - wie
im übrigen
Umweltrecht - der Abschluss des Verfahrens und der Schutz von
Geschäftsgeheimnissen bleiben. Im Vergleich zur Diskussion
und Entwicklung
in der Europäischen Union und namentlich in der Bundesrepublik
Deutschland
ist Art. 29 g bis USG zu einschränkend formuliert.
Der Terminus
"ausgeschlossen" könnte sinnvolle Lockerungen weitgehend
blockieren.
Angemessen wäre eine Formulierung, wonach der Bundesrat
Ausnahmen
bewilligen kann, wenn "davon ausgegangen werden kann, dass damit
nach dem
Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung eine Gefährdung
der Umwelt oder
des Menschen, eine Missachtung der Würde von Tieren und
Pflanzen oder eine
Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt und deren nachhaltiger
Nutzung
nicht verbunden ist."
Die Einrichtung einer Eidgenössischen Ethikkommission für
die Gentechnik
im ausserhumanen Bereich, wie sie in Art. 29 i USG vorgesehen
ist, wird
nachdrücklich unterstützt. Unterstützt werden
auch das vorgesehene Mandat
sowie die Zusammensetzung der Kommission. Das Bedürfnis
nach Einsetzung
einer Ethikkommission wird von uns, wie einleitend geschildert,
als
dringlich erachtet. Diese Kommission, welche die Entwicklung
der
Biotechnologie im ausserhumanen Bereich aus ethischer Sicht verfolgt
und
den Bundesrat und die vollziehenden Behörden der Kantone
berät, sollte
möglichst rasch eingesetzt werden.
Unterstützt werden auch die Erweiterungen der Haftungsregelung
in Art.
59 a, c, d und e USG. Die folgenden Anmerkungen dienen
lediglich einer
Präzisierung. So setzt die Haftung nach Art. 59a Abs.1 USG
einen "Umgang
mit gentechnisch veränderten oder pathogenen Organismen"
voraus. Die
Formulierung "Umgang" ist ebenso weit wie vage. So wäre
zu prüfen, ob man
nicht entweder das Wort "Umgang" in Art. 7 definieren oder durch
eine
sachgerechtere Formulierung ersetzen sollte.
Unterstützt wird auch die in Art. 59 c Abs. 1 und 2 USG vorgesehene
Verlängerung der Verjährungsfrist auf drei bzw. dreissig
Jahre. Es ist zwar
anzumerken, dass eine Verlängerung der Verjährungsfrist
auf zwanzig Jahre
mit dem in Europa geltenden Recht besser kompatibel gewesen wäre.
Die in
Abs. 2 enthaltene Formulierung "dreissig Jahre seit dem Tag,
an dem das
Schadensereignis eingetreten ist oder ein Ende gefunden hat",
lässt
hingegen die Frage offen, ob diese Frist an die Handlung des
Schädigers
oder an den Schadensverlauf beim Geschädigten anknüpft.
In
Anlehnung an die Debatte unter dem geltenden Recht (Schädigende
Handlung",
Art. 60 OR) sollte durch den Gesetzgeber mit dem Bundesgericht
und der
Mehrheit der Doktrin klargestellt werden, dass die Handlung des
Schädigers
die absolute Verjährung auslöst. Andernfalls könnte
diese Formulierung
bedeuten, dass eine absolute Verjährung überhaupt nicht
mehr eintritt.
Analog zum Vorentwurf des neuen Haftpflichtrechts sollte die
in Art. 59 e
USG (Unterbrechung der Verjährung) sich auf das Verhältnis
zwischen
Haftpflichtigen und seinem Versicherer beschränken, nicht
aber auf das
Verhältnis unter mehreren Haftpflichtigen.
Art. 60 Abs. 1 k USG ist textlich zu bereinigen, falls Art. 29
d Abs. 2 USG
nach obenstehendem Vorschlag geändert wird (weglassen des
Passus "oder
enthalten könnten").
Ausdrücklich begrüsst wird, dass der Bundesrat in Art.
7 a Abs. 2
Tierschutzgesetz klar dazu angehalten wird, Kriterien zur Beurteilung
der
Zulässigkeit von Zuchtzielen und Reproduktionsmethoden zu
erlassen. Die
vorgesehene Verschärfung des Tierschutzgesetzes mit der
generellen
Bewilligungspflicht aufgrund einer Güterabwägung für
genetisch veränderte
Tiere wird missbräuchlichen Entwicklungen in der Tierzucht
von vornherein
einen Riegel schieben. Wichtig ist, dass die sinnvolle Nutzung
der
Gentechnik beim Tier (z.B. für medizinische Forschung, die
Prüfung der
Sicherheit und Wirksamkeit neuer Therapien und Medikamente oder
für
Verbesserungen im Bereich der Tiergesundheit) auch weiterhin
möglich ist.
Abschliessend möchten wir noch einmal betonen, dass wir die
Gen-Lex-Vorlage
in ihrer Gesamtheit nachdrücklich unterstützen. Wir
betrachten
die in der
Vorlage enthaltenen Regelungen als wichtig für die Vervollständigung
des
schweizerischen Gentechnik-Rechts, welches von einer kontrollierten
Anwendung der Gentechnik ausgeht. Wir befürworten eine rasche
Umsetzung und
Inkraftsetzung der Vorlage und hoffen, dass die obenstehenden
Anregungen
nützlich sind. Für ergänzende Auskünfte und
Erläuterungen stehen wir bei
Bedarf gerne zur Verfügung und verbleiben
mit freundlichen Grüssen
INTERPHARMA
Dr. Franz B. Humer Thomas B. Cueni