Allgemeine Bemerkungen
Das GenLex Programm ist grundsätzlich zu begrüssen und es
ist ihm in weiten Teilen zuzustimmen.
Wir sind der Auffassung, dass es sich bei diesen Regelungsentwürfen
durchwegs um Neuerungen mit "Fleisch am Knochen" handelt und dass alle
Bemühungen von Verwaltung, Bundesrat und Parlament,
gezielt die noch vorhandenen Lücken zu schliessen, nicht einfach
als Alibiübung bezeichnet werden
dürfen, wie die Anhänger der Genschutz-Initiative dies tun.
1. Allerdings ist dem Bericht auf S. 11 unten mit Nachdruck beizupflichten: die politische Notwendigkeit der Fortentwicklung und Vervollständigung des Gentechnikrechts besteht unabhängig von den Auseinandersetzungen um die GenSchutz Initiative. Bundesrat und Parlament sind deshalb gehalten, keine Verwässerungen an den Bestimmungen vorzunehmen, sowie insbesondere die Bestrebungen zur Reglementierung auch nach dem 7. Juni 1998 fortzusetzen.
2. Der Bundesrat hat sich 1993 für einen rein sektoriellen Ansatz bei der Rechtsetzung der Gentechnik in der Schweiz entschieden (s.S. 12, letzter Absatz, des Berichts). Dieser Entscheid war vorab politisch bedingt, wollte man doch auf keinen Fall ein Gentechnik-Gesetz wie Deutschland es hatte, welches zu Ueberreglementierungen und starken Einschränkungen für die Gentechnologie führte (Deutschland dereguliert seither auch wieder).
Nach Vorliegen des Gen-Lex-Programms, den konkreten Ausformulierungen
in den verschiedensten Erlassen, fragen wir uns dennoch, ob man nicht mit
einem horizontalen Ansatz der Erfassung der Gentechnologie quer durch alle
Anwendungsgebiete verbunden mit einem vertikalen Ansatz der Erfassung von
bereich-spezifischen Zwecken oder Produkten, mit einem Koordinationsgesetz
als
zentralem Erlass und spezifischen Aenderungen bestehender Erlasse,
besser fahren würde.
Zum einen gewänne das Programm an Uebersichtlichkeit, was im Interesse
der von den Erlassen
Betroffenen wäre. Zum andern könnten Wiederholungen vermieden
werden, was gesetzestechnisch zu begrüssen ist. Schliesslich mag das
heutige Konzept auch insofern nicht zu befriedigen, als in das
Umweltschutzgesetz nun Bestimmungen eingebaut werden (und 1995 auch
schon wurden), welche
nicht speziell in diesen Erlass angesiedelt werden sollten (z.B. die
Deklarationspflicht als Instrument
des Konsumentenschutzes oder die Einsetzung der Ethik-Kommission, welche
sich zu 90% mit der
Würde der Tiere wird befassen müssen etc.).
Wir halten dies aber für eine gesetzesmethodische Frage, welche vom Parlament noch geklärt werden kann. Auf jeden Fall sollte dieses Anliegen nicht die Gesetzgebungstätigkeiten verzögern.
3. Die mit der Revision des USG von 1995 eingeführte und
von der Gen-Lex-Vorlage bestätigte
Gleichsetzung von gentechnischveränderten und von pathologen Organismen
ist sehr problematisch, schon weil keineswegs gentechnisch veränderte
Organismen a priori gefährlich sind wie pathologe. Pathogenität
kann zudem erst beurteilt werden, wenn auch das Beziehungsobjekt in Betracht
gezogen wird; es gibt keine allgemeine, sondern nur eine objektbezogene
Pathogenität. Die obengenannte gesetzliche Gleichstellung ist zu überprüfen.
Es spricht viel dafür, die Bekämpfung der pathogenen Organismen
der jeweiligen Spezialgesetzgebung zu überlassen: die humanpathogenen
Erreger erfasst das Epidemiegesetz, die tierpathogenen Erreger das Tierseuchengesetz,
die pflanzenpathologenen Erreger das Landwirtschafts- und das Waldgesetz.
Das genügt. Im USG kann allenfalls noch eine Auffangklausel vorgesehen
werden. Das Gentechnikrecht würde dann für sich selbst stehen.
Die gesetzliche Verankerung des Grundrechts der Achtung der Würde
der Kreatur ist zu begrüssen.
Dieser verfassungsrechtliche Grundsatz gilt übrigens über
die Gentechnologie hinaus in der gesamten Rechtsordnung. Fraglich ist allerdings,
ob eine Würde über die Wirbeltiere hinaus auch anderen Lebewesen
zugesprochen werden kann (wohl kaum z.B. Krankheitserregern oder Schädlingen).
Ausserhalb der Wirbeltiere könnte man einfach von der "Achtung der
Kreatur" sprechen.
I. Bemerkungen zu den einzelnen Vorschriften
1. Umweltschutzgesetz (USG)
11
Art. 29 g, Abs. 3 des geltenden USG sieht vor, dass der Bundesrat
die Information der
Oeffentlichkeit über Freisetzungsversuche regelt. Der Entwurf
der Freisetzungsverordnung zieht
entsprechende Publikumsinformationen vor.
Art. 29 e Abs. 2 Bst. c
Der neue Art. 29 g, Abs. 3 betreffend Aktenzugangsrecht darf nun nicht
dazu führen, dass die
Information über geplante im Bewilligungsverfahren stehende
Freisetzungsversuche eingeschränkt wird. Wir beantragen, das Verhältnis
dieser beiden
Bestimmungen zu klären.
12
Art. 29 g USG
Wir fragen uns ferner, ob nicht explizit im Gesetz zu verankern wäre,
dass man bei Freisetzungen ein
Langzeitmonitoring anordnen können soll. Oder hätte der Bundesrat
diese Kompetenz zweifelsfrei auch nach geltendem Art. 29 g USG?
13
Art. 59 c (neu)
In Art. 59 c (neu) wird die Verjährungsfrist für Schadenersatz-
und
Genugtuungsansprüche auf 30 Jahre verlängert. Zu Recht ist
von seiten der chemischen Industrie mehrfach darauf hingewiesen worden,
dass diese Verlängerung der Verjährungsfrist auch für Produkte,
die aus GVO bestehen, vorgesehen werden sollte. Der Bundesrat hat auf eine
Regelung verzichtet. Diese Forderung muss wieder erhoben werden, da sehr
wahrscheinlich mindestens so sehr Haftpflichtfälle aus schädlichen
Produkten wie aus vorangehenden schädlichen Tätigkeiten auftreten
können.
2. Landwirtschaftsgesetz
Eine erhebliche Lücke besteht im Landwirtschaftsrecht. Dort verweist
Art 24a neu) nur auf die
Regelungen des Umweltschutzgesetzes und des Tierschutzgesetzes. Alle
inländischen und
ausländischen Untersuchungen über die Gentechnik in der Landwirtschaft,
insbesondere über herbizidresistente Nutzpflanzen, zeigen aber, dass
es nicht allein um die abstrakte Prüfung der ökologischen Sicherheit
geht, sondern dass für den Einsatz von gentechnisch veränderten
Nutzpflanzen und Nutztieren in der Landwirtschaft auch die Art und Weise
der landwirtschaftlichen Produktion entscheidend ist. Dementsprechend sollte
der vom Bundesamt für Landwirtschaft gebilligte Text von Art. 24a,
der leider in der Schlussbereinigung der Vorlage untergegangen ist, wieder
aufgenommen werden:
Art. 24a (neu) Grundsätze
1 Gentechnisch veränderte Erzeugnisse oder Hilfsstoffe dürfen
nur erzeugt, gezüchtet, eingeführt,
freigesetzt oder in Verkehr gebracht werden, wenn die Sicherheit von
Mensch und Umwelt nicht
gefährdet, die Würde der Kreatur nicht missachtet und die
biologische Vielfalt und deren nachhaltige
Nutzung nicht beeinträchtigt werden.
2 Unabhängig von allfälligen weiteren Bestimmungen
namentlich der Umweltschutz- und der
Tierschutzgesetzgebung kann der Bundesrat im Hinblick auf solche Risiken
für Produktion und Absatz eine Bewilligungspflicht oder andere Massnahmen
vorsehen.
3 Er sorgt für die Koordination mit den Verfahren nach dem
Umweltschutzgesetz und nach dem
Tierschutzgesetz".