Das BUWAL hat den
Freisetzungsversuch mit gentechnisch
verändertem Weizen der ETH Zürich neu beurteilt und das
Gesuch mit strengen Sicherheits-auflagen bewilligt. Angesichts
dieser Massnahmen sowie des kleinen Versuchsfeldes
erachtet das BUWAL das Risiko, das von diesem Versuch für
Mensch und Umwelt ausgeht, als tragbar.
Die ETH Zürich darf ihren Freisetzungsversuch mit gentechnisch
verändertem KP4-Weizen in Lindau (ZH) durchführen. Dies hat das
BUWAL nach erneuter Prüfung des aktualisierten ETH-Gesuchs am
30. Oktober 2003 entschieden. Alle vorherigen Entscheide zum
Freisetzungsversuch waren vom Eidg. Departement für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK am 13. Juni 2003 nach
einem Entscheid des Bundesgerichtes aufgehoben worden. Das
BUWAL prüfte das ETH-Gesuch von Grund auf neu.
Der positive Entscheid wurde trotz folgender Bedenken gefällt: In
Übereinstimmung mit der Biosicherheitskommission EFBS vertritt
das BUWAL die Auffassung, dass das Freisetzungsexperiment
(siehe Kasten) zu einem frühen Zeitpunkt erfolgt. Die unvollständige
Charakterisierung der Pflanzen und die fehlende Nachweismethode
des KP4-Proteins in den Pflanzen schmälern den potenziellen
Erkenntnisgewinn. Weiter stellt das BUWAL fest, dass die
Ergebnisse aus dem Vorversuch in der Vegetationshalle von der
Gesuchstellerin besser hätten berücksichtigt werden können:
In
einem Experiment im Jahr 2001 wiesen die KP4-Weizenpflanzen
keine erhöhte Pilzresistenz auf, im Gegenteil, sie waren sogar leicht
stärker vom Pilz befallen als die Ausgangssorten. Aus diesen
Gründen erachtet das BUWAL den Freisetzungsversuch als wenig
sinnvoll.
Strenge Sicherheitsauflagen
Bedingung für die Durchführung des Versuchs ist die Einhaltung
strenger Sicherheitsauflagen. Insbesondere werden folgende
Massnahmen verlangt:
Abdeckung der transgenen Pflanzen mit pollendichten Zelten
während der Blühphase;
Keine Saatgutproduktion von Weizen, Roggen oder Triticale im
Abstand von 60 m;
Abschrankungen gegen das Eindringen von Vögeln und
Nagetieren sowie gegen das Betreten durch unbefugte
Personen;
Überwachung der Testparzelle während des Versuches und
weiterführenden Beobachtung der Fläche während einem Jahr
nach Beendigung;
Überwachung der unerwünschten Verbreitung des
eingebrachten Genkonstruktes (d.h. Überprüfung der
Sicherheitsmassnahmen durch die Analyse von Boden und
Mantelsaat);
Nach Beendigung des Versuches Entsorgen des gentechnisch
veränderten Pflanzenmaterials durch Verbrennen sowie
thermische Behandlung des Bodens;
regelmässige Berichterstattung über den Ablauf des Versuchs
und der wichtigsten Ergebnisse an die Begleitgruppe
bestehend aus Vetretern des BUWAL, des Kantons Zürich, der
Gemeinde Lindau und Experten aus den Bereichen Ökologie
und Argrawissenschaften.
Massgebend für den positiven Entscheid des BUWAL waren nebst
den Sicherheits-Massnahmen die im Vergleich zur ersten Beurteilung
im November 2001 geänderten Rahmenbedingungen:
Die Beurteilung der Antibiotika-Resistenzgene, wie sie auch im
ETH-Weizen vorkommen, hat sich seit November 2001
verändert. Das BUWAL erachtet die Verwendung dieser Gene
zwar nach wird vor als unnötig und problematisch. Es schätzt
aber das Risiko bei örtlich und zeitlich beschränkten
Freisetzungsversuchen und entsprechenden
Sicherheitsauflagen als tragbar ein. Zudem hat das Parlament
im Rahmen der Beratung des Gentechnikgesetzes das Risiko
einer Verwendung von Antibiotikaresistenzgenen im Rahmen
von Freisetzungsversuchen nicht als derart umweltgefährdend
bewertet, dass er sofort zu unterbinden wäre. Die Forschung
dürfe noch bis Ende 2008 solche Gene verwenden. Das
BUWAL hat dies bei seinem Entscheid berücksichtigt. Das
neue Gentechnikgesetz tritt voraussichtlich per 1. Januar 2004
in Kraft.
Die ETH hat dem BUWAL neue Daten zu den transgenen
Weizenpflanzen vorgelegt, welche die Risikobeurteilung
verbessern.
Stellungnahmen der Fachstellen
Gegen das Gesuch der ETH waren Einsprachen eingegangen von
der Arbeitsgruppe «Lindau gegen Gentechnik», dem Ehepaar
Grossmann-Keller und IP-Suisse sowie von Greenpeace Schweiz.
Die konsultierten Fachstellen haben sich mehrheitlich für den
Versuch ausgesprochen (siehe Verfügung). Keine Einwände geltend
machten die Bundesämter für Gesundheit (BAG), Landwirtschaft
(BLW) und Veterinärwesen (BVET). Die Biosicherheitskommission
EFBS diskutierte die nach wie vor fehlenden Angaben zur
Charakterisierung des KP4-Weizens und fehlende Analysemethoden
kritisch, stimmte dem Versuch aber mehrheitlich zu. Das Umweltamt
des Kantons Zürich (AWEL) forderte Auflagen zur Biosicherheit.
Einzig die Ethikkommission EKAH empfahl, den Versuch nicht
zuzulassen. Sie zweifelt angesichts der bisherigen Ergebnisse aus
den Versuchen im Gewächshaus und der Vegetationshalle
grundsätzlich die wissenschaftliche Qualität und den Sinn des
ETH-Experiments an.
Der BUWAL-Entscheid kann innerhalb von 30 Tagen beim UVEK
angefochten werden.
Bern, 30. Oktober 2003
BUWAL
Pressedienst
Auskünfte
Philippe Roch, Direktor BUWAL
Hans Hosbach, Chef Sektion Biotechnologie BUWAL, 031 322 54 36
Der Freisetzungsversuch
Die ETH Zürich möchte in Lindau (ZH) auf 8 m2 zwei gentechnisch
veränderte Sommerweizen im Freilandversuch erforschen
(Gesamtversuchsfläche 90 m2). Die 1600
Gentech-Versuchspflanzen enthalten ein so genanntes kp4-Gen,
das die Bildung des KP4-Proteins reguliert. Das «Killerprotein»
KP4 hat eine pilzabwehrende Wirkung und soll den Befall des
Weizen mit dem so genannten Weizenstinkbrand hemmen. Ziel
des Versuchs ist es zu überprüfen, ob dieser im Gewächshaus
festgestellte Effekt auch «im Feld» auftritt, d.h. unter natürlichen
Bedingungen. Neben den KP4-Genen enthalten die Pflanzen Gene
für Herbizidtoleranz und Antibiotikaresistenz.