Gen-Lex

 Bundesrat glaubt an die Chancen der
 Gentechnik

 Die Risiken der Gentechnik für Mensch und Umwelt sollen minimiert, die Chancen
 aber genutzt werden. Deshalb setzt der Bundesrat nicht auf Verbote und Moratorien,
 sondern auf eine Bewilligungspflicht.
 *David Sieber
 Bundesrat Moritz Leuenberger weiss, wie delikat das Thema Gentechnik ist. Nicht
 umsonst brachte er an der gestrigen Medienkonferenz im Bundeshaus
 «Zauberlehrling und Gremlins - Goethe und Spielberg, je nach-dem» ins Spiel, um die
 in der Bevölkerung weit verbreiteten Vorbehalte gegenüber Eingriffen ins Erbgut von
 Tier und Pflanzen zu umschreiben. Deshalb sei es die Aufgabe der Politik, die
 «Risiken zu minimieren und die Chancen zu stärken». Dass die Gentechnik in der
 Landwirtschaft von Nutzen sein kann, davon ist der Bundesrat überzeugt, wie seine
 gestrigen Entscheide zeigen.

 Zwei weitere Leitplanken…
 Wie Leuenberger bereits vor einer Woche angekündigt hatte, wird die Freisetzung von
 gentechnisch veränderten Organismen (GVO) weder verboten noch mit einem
 Moratorium belegt. Vielmehr bleibt es bei einer Bewilligungspflicht. Nach
 welchenKriterien das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) als
 zuständige erstinstanzliche Behörde Freisetzungen erlauben oder verbieten wird, soll
 in einer Verordnung geregelt werden. Neben dem bisher einzigen massgebenden
 Kriterium - die Sicherheit von Mensch und Umwelt - hat der Bundesrat im
 Umweltschutzgesetz aber zwei weitere Leitplanken gesetzt:
 * Würde der Kreatur. Darunter versteht der Bundesrat ein «in jedem
 nichtmenschlichen Lebewesen eigener innewohnender Wert, der es verbietet, diese
 Lebewesen bloss als Mittel zum Zweck zu betrachten». Tiere und Pflanzen würden in
 ihrer Würde beeinträchtigt, wenn sie ihre artspezifischen Eigenschaften und
 Lebensweisen nicht mehr ausüben könnten. Leuenberger nannte als Beispiel Lachse,
 die gentechnisch ihrer Fähigkeit, Stromschnellen zu überspringen, beraubt würden.
 Zumindest deren Freisetzung sei ein «ethisch schwierig zu bewertendes»
 Unterfangen. Genau um solche Fragen wird sich eine dem Buwal angegliederte und in
 alle Entscheide einbezogene Ethik-Kommission kümmern müssen.
 * Biologische Vielfalt. Der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen darf die
 biologische Vielfalt der Schweiz nicht beeinträchtigen. Die Biodiversität muss erhalten
 und nachhaltig genutzt werden.

 …und strenge Haftpflicht
 Sollte beim Umgang mit GVO doch einmal ein Malheur geschehen, so haftet nach
 demWillen des Bundesrates neu der Hersteller für die Schäden. Sollte zum Beispiel
 ein Bauer als Folge einer Bestäubung seiner Pflanzen mit gentechnisch veränderten
 Pollen finanzielle Einbussen erleiden, so muss derSaatguthersteller für denSchaden
 aufkommen. Allerdings besitzt er ein Rückgriffsrecht auf Personen, die GVO
 unsachgemäss behandelt haben. Die Verjährungsfrist hat der Bundesrat auf 30 Jahre
 erhöht, was der «Dauer einer Generation» entspricht, wie Leuenberger erklärte. Für
 alle übrigen umweltgefährdenden Betriebe soll eine Verjährungsfrist von 20 Jahren
 gelten.
 Die gestern im Bereich Freisetzung vorgestellten Regelungen sind Teil des
 Gen-Lex-Paketes. Dieses umfasst Änderungen von zwölf Gesetzen und wurde 1997
 vom Parlament als Antwort auf die vom Volk 1998 abgelehnte Genschutzinitiative in
 Auftrag gegeben. Nicht Teil des Paketes ist die Frage der Patentierung von
 gentechnisch veränderten Organismen. Der Bundesrat will die bereinigte
 Gen-Lex-Botschaft demnächst zuhanden des Parlamentes verabschieden, was laut
 Leuenberger «automatisch heisst, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist».*