Weder Eispende noch Embryonenwahl

Wie in Deutschland, Österreich, Schweden oder Norwegen werden Eispende und Gentests an Embryos im Reagenzglas auch in der Schweiz verboten sein.

Von Urs Buess, Bern

Für die freisinnige Fraktionschefin und Ständerätin Christine Beerli (Bern) ist das Gesetz über die Fortpflanzungsmedizin (TA vom Freitag) sinnlos geworden. Sie und ein grosser Teil der FDP werden es in der Schlussabstimmung ablehnen. Ein Referendum wird die Partei aber kaum ergreifen, sagte Christine Beerli nach der Debatte. Die Chance, dass es auch vom Volk abgelehnt würde, ist der Partei wahrscheinlich zu gering.

Zusammen mit Helen Leumann (FDP, Luzern) und Eric Rochat (liberal, Waadt) setzte sich Beerli dafür ein, dass sowohl die Eispende als auch die Präimplantationsmedizin (PID) im neuen Gesetz verankert würden. Die Eispende würde es jenen Frauen, die eine Erbkrankheit vererben können, erlauben, sich von einer erblich nicht vorbelasteten Dritten eine befruchtete Eizelle einzupflanzen. Dies entspreche dem Gleichstellungsgebot, betonte Eric Rochat, denn schliesslich sei die Samenspende auch erlaubt, wenn bei einem Paar die Ursache der Kinderlosigkeit beim Mann liege. Es gebe weder moralische noch religiöse Gründe, die Eispende zu verbieten, die heute technisch kein Hindernis darstelle.

Bedenken dagegen äusserten im Ständerat vor allem Vertreter der CVP. Sie fürchteten um das spätere Wohl des Kindes, wenn es sich beim Heranwachsen bewusst werde, dass biologische und soziale Mutter nicht identisch seien, erklärte der St. Galler Paul Gemperle. Zwar erlaube das Gesetz die Samenspende und damit die "gespaltene Vaterschaft". Dass der biologische und soziale Vater nicht derselbe seien, komme aber auch in der Natur vor - die gespaltene Mutterschaft dagegen nicht. Deshalb könne vertreten werden, dass Samenspende weiterhin erlaubt, Eispende dagegen verboten sei. Bundesrat Arnold Koller argumentierte formaler. Der Nationalrat habe die Eispende im Juni deutlich abgelehnt. Es sei undenkbar, dass er seinen Entscheid rückgängig mache. Deshalb bat er den Ständerat, sich anzuschliessen, damit das Gesetz bereinigt werden könne. Der Rat folgte dem Justizminister und lehnte die Eispende mit 24 zu 13 Stimmen ab.

Auch in der letzten umstrittenen Frage, der PID, fügte sich der Ständerat - knapp mit 20 zu 18 Stimmen - dem Nationalrat. Die Präimplantationsdiagnostik findet Anwendung bei Embryos, die mit der In-Vitro-Fertilisation (IVF) ausserhalb des Mutterleibs gezeugt werden, etwa wenn der Eileiter der Frau nicht funktioniert. Denkbar wäre auch, dass die Zeugung im Reagenzglas bei Müttern praktiziert wird, die eine Erbkrankheit weitergeben könnten. Die freisinnige und liberale Gruppe im Ständerat trat dafür ein, dass diese im Reagenzglas gezeugten Embryos vor dem Einpflanzen genetisch untersucht werden. So könne man verhindern, dass befruchtete Eizellen im Mutterleib heranwüchsen, bei denen sich später herausstelle, dass sie wegen schwerer erblicher Schäden abgetrieben werden müssten.

Wertes oder unwertes Leben

Gegen diese "Selektionstechnik" wehrten sich CVP- und SP-Vertreter. PID führe zu einem Automatismus, befürchtete Paul Gemperle. Werde ein Schaden festgestellt, werde der Embryo automatisch als lebensunwürdig ausgeschieden. Im Gegensatz zum heranwachsenden Leben im Mutterleib fehle bei der befruchteten Eizelle im Reagenzglas der emotionale Bezug, so dass auch leichtfertig über die Vernichtung entschieden werden könne. Thomas Onken (SP, Thurgau) gab zu bedenken, das Gesetz schreibe zwar ausdrücklich vor, dass Embryonen nur bei schweren Krankheiten ausgeschieden werden können. Gesellschaftliche Veränderungen könnten aber dazu führen, "dass es nicht bei unheilbaren Krankheiten bleibt, sondern dass auch andere Kriterien eine Rolle spielen".

Auch Bundesrat Koller lehnte die PID ab. Gewiss würden die Befürworter auf eine Liste verweisen, die abschliessend aufzähle, welche Krankheiten die Vernichtung der Embryonen rechtfertigten. "Persönlich möchte ich aber nicht in diesem Gremium sein, das zwischen wertem und unwertem Leben entscheidet." Es sei nicht zufällig, dass in Deutschland und Österreich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit die PID keine Chance habe. Eine harte Aussage, welche die Mehrheit des Rats bewog, die PID abzulehnen und mit dem Nationalrat gleichzuziehen. Damit dürfte die Diskussion für einige Jahre vom Tisch sein.