"PID wäre das kleinere Übel"

Der Staat braucht bessere Argumente für ein Verbot der PID, sagt der Ethiker Klaus Peter Rippe*.

Herr Rippe, Sie sind Ethiker und sprechen sich gegen ein Verbot der PID aus, Bundesrat und Nationalrat dafür. Handeln unsere Räte unethisch?

Ich sagte nie, dass ein Verbot unethisch ist, sondern, es sei das grössere Übel. Eine geregelte PID wäre besser als die jetzige Situation, wo eine genetische Diagnose nur während der Schwangerschaft gemacht werden kann. Die Frauen werden jetzt gezwungen, die Föten eine gewisse Zeit auszutragen. Schliesslich stehen sie vor der Entscheidung: Abtreiben oder Austragen.

Sie ziehen damit das Wohl des Individuums ethisch-gesellschaftlichen Überlegungen vor. Stichworte: Gefahr einer Selektion der Embryonen, Eugenik.

Menschen mit einer Erbkrankheit haben es viel schwerer zu entscheiden, ob sie ein Kind haben sollen. Nun gibt es medizinische Verfahren, die ihnen erleichtern, die Entscheidung zu treffen. Wenn der Staat hier mit Verboten eingreifen will, muss er sehr gute Argumente haben. Und es ist zweifelhaft, ob Argumente wie Selektion oder gar Eugenik dieses Verbot rechtfertigen.

Was kann man denn sonst der Entwicklung eines perfekten Menschen entgegensetzen?

Ich bin skeptisch, ob es überhaupt eine solche Entwicklung gibt. Zur PID gibt es Studien aus Bonn, die sagen, dass sogenannte eugenische Tendenzen von der Bevölkerung ganz vehement abgelehnt werden. Und auch der Wunsch nach dem perfekten Kind kann ich nicht aus diesen Untersuchungen herauslesen. Es mag Menschen geben, die einen solchen Wunsch haben. Aber ihnen steht die ganz grosse Mehrheit gegenüber, die das nicht wollen.

Bereits heute steht eine Frau unter Druck, ihr Kind mit Down-Syndrom abzutreiben.

Das muss man ernst nehmen. Doch, was immer man auch tut: Man wird immer Menschen schaden. Bei der PID sind es die Behinderten, die sich durch die genetischen Tests gekränkt und in ihrer Selbstachtung verletzt fühlen können. Wir müssen alles tun, um den Schaden so klein wie möglich zu halten. (Interview: tf)