"Embryo verliert die Würde"

Mit der PID droht auch die Embryonen- forschung, sagt die Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle*.

Frau Baumann-Hölzle, mit der PID kann das Trauma eines Schwangerschaftsabbruchs vermieden werden. Warum sind Sie trotzdem dagegen?

Eine schwangere Frau hat das Recht, über ihren eigenen Körper zu verfügen. Wenn eine vorgeburtliche Untersuchung einen schlechten Befund ergibt, gerät sie aber unweigerlich in einen Konflikt: Sie muss über Leben oder Tod des Fötus entscheiden.

Bei einer PID steht die Frau noch nicht in dieser Konfliktsituation: Es werden mehrere Embryonen ausserhalb des Körpers erzeugt. Die Beziehung zwischen der Frau und den Embryos ist eine andere, als wenn sie sich in ihrem Körper befinden. Die Gefahr ist deshalb gross, dass dem Embryo im Reagenzglas jeglicher Würdeanspruch verlorengeht und er zur Sache wird.

Damit ziehen Sie gesellschaftsethische Überlegungen dem Wohl des einzelnen vor.

Es geht nicht um das Wohl des einzelnen. Es geht um die Legitimität eines Wunsches nach einem gesunden Kind. Wenn wir die Leidensverhinderung als höchstes Gut betrachten, ohne dass wir dem Embryo eine Würde zugestehen, können wir die PID einführen. Doch dann müssen wir uns im klaren sein: Wenn wir frei unter den Embryos auswählen und über sie verfügen können, gibt es keinen Grund mehr, warum gleichzeitig die Embryonenforschung verboten sein soll.

Es sollen ja nur schwere Erbleiden, auf einer Liste festgehalten, verhindert werden können.

Wer hat die Legitimation, solche Listen aufzustellen? Wer definiert die Leiden? Die Wahrnehmung der gesunden Bevölkerung kann sich von der Wahrnehmung der Behinderten stark unterscheiden.

Viele Schweizer Wissenschaftler sagen, dass wir mit Verboten in Forschungsrückstand geraten. Sie wollen mehr zulassen und dann reglementieren. Doch wohin führt das? Ich wehre mich dagegen, nur noch Leitplanken zu setzen für eine globale Entwicklung und auf die Freiheit verzichten zu müssen, selber Grundsatzentscheide fällen zu können. (Interview: tf)