Angst vor Missbrauch und Zuchtwahl überwiegt

Am Montag entscheidet der Ständerat, ob Eispende und Präimplantationsdiagnostik erlaubt sein werden.

Von Urs Buess

Der Druck, ein Bundesgesetz "über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung" zu erarbeiten, kommt von den Initianten des hängigen Volksbegehrens "für menschenwürdige Fortpflanzung". Sie verlangen, dass jede künstliche Zeugung ausserhalb des Mutterleibes in der Schweiz zu verbieten sei. Betroffen wären jene rund 400 Frauen, die sich im vergangenen Jahr beispielsweise wegen eines funktionsunfähigen Eileiters einer In-vitro-Fertilisation unterzogen haben.

National- und Ständerat waren sich einig, dass die Initiative abzulehnen sei, suchen aber seit anderthalb Jahren nach einem Kompromiss, welche Fortpflanzungsmethoden in der Schweiz zulässig sein sollen. Strittig sind im wesentlichen noch zwei Fragen: Dürfen an Embryos im Reagenzglas Gentests gemacht werden? Und: Darf sich eine Frau eine im Reagenzglas befruchtete Eizelle einer anderen Frau einpflanzen lassen?

In einer ersten Beratung hat der Ständerat 1997 in beiden Fragen - mit knappen Mehrheiten von je zwei Stimmen - für eine offene Lösung entschieden. Der Embryo-Gentest im Reagenzglas, die Präimplantationsdiagnose (PID), sei zu befürworten, weil er späteres Leid ersparen könne, sagt FDP-Ständerätin Helen Leumann. Um Missbräuchen vorzubeugen, müsse in einer Verordnung aber klar geregelt werden, bei welchen schweren Erbkrankheiten PID zulässig sei.

Ungerecht gegenüber den Frauen empfindet Helen Leumann ein Eispende-Verbot. Wenn ein Mann zeugungsunfähig sei, lasse sich der Kinderwunsch eines Paares mit der seit Jahren erlaubten Samenspende dennoch realisieren. Liege die Ursache der Kinderlosigkeit aber bei der Frau, so würde sie mit einem Verbot der Eispende zusätzlich bestraft.

Dieser Argumentation wollte im vergangenen Juni nur eine Minderheit des Nationalrats folgen. Sowohl PID - mit 72 Nein gegen 63 Ja - und noch deutlicher die Eispende - 102 Nein zu 58 Ja - lehnte der Rat ab. Nationalrätinnen aus SP, CVP und von den Grünen machten sich für die beiden Verbote stark. Die Zürcherin Christine Goll (SP) etwa ist überzeugt, dass die PID ein weiterer Schritt hin "zur Zuchtwahl" sei. Wenn man befruchtete Eizellen vor der Einpflanzung genetisch untersuche, sei nicht nur die Ausscheidung von Embryonen mit genetischen Schäden möglich, sondern letztlich auch "ein Kind nach Wunsch und Mass".

Gegen die Eispende wehrten sich die Gegner und Gegnerinnen in erster Linie mit dem Argument, dass diese Methode - im Gegensatz zur Samenspende - in der Natur nicht vorkommen könne, sondern einen medizinischen Eingriff erfordere. Je mehr Eizellen den Forschern zur Verfügung stünden, desto grösser werde die Gefahr, dass sie mit ihnen experimentierten, befürchtet Christine Goll.

Vor der Debatte über die beiden umstrittenen Fragen im Ständerat hat sich nun in der vorberatenden Kommission ein Sinneswandel abgezeichnet. Sie schwenkt auf die Linie des restriktiveren Nationalrats ein und empfiehlt dem Plenum zwei Nein. Die Ablehnung in der grossen Kammer sei so deutlich gewesen, dass ein Festhalten an der offenen Lösung sinnlos sei, sagt Ständerätin Rosmarie Simmen (CVP, Solothurn), die von Anfang an PID und Eispende ablehnte. Dies, obwohl mit dem Verbot ein Problem nicht aus der Welt geschafft werden könne: Frauen, die unbedingt auf eine Eispende angewiesen seien, könnten in ausländischen Kliniken die schweizerischen Bestimmungen umgehen.