Keine Embryo-Tests
Der Nationalrat will bei der künstlichen Fortpflanzung weniger
weit gehen als der Ständerat. Embryonen im Reagenzglas dürfen
nicht genetisch getestet werden.
Bern. - Der Nationalrat will im Gegensatz zum Ständerat die Präimplantationsdiagnostik
in der Fortpflanzungsmedizin nicht zulassen. Agnes Weber (SP, Aargau) erklärte
das Verbot der Präimplantationsdiagnostik zu einem der Schicksalsartikel
des indirekten Gegenvorschlags zur Initiative für eine menschenwürdige
Fortpflanzung, die die künstliche Befruchtung und die Keimzellenspende
grundsätzlich verbieten will. Worum geht es? Medizinisch ist es heute
möglich, an abgelösten Zellen des im Reagenzglas erzeugten Embryos
zwölf Erbkrankheiten zu diagnostizieren, wie Johannes Randegger (FDP,
Basel) erklärte.
Widersprüchliches Verbot?
Die Methode soll gemäss dem Antrag seines Parteikollegen Yves Guisan
(Waadt) dann zugelassen werden, wenn die Gefahr der Übertragung einer
schweren unheilbaren Krankheit nicht anders vermieden werden kann. Es sei
schwer verständlich, wenn der Mutter der Zugang zu Diagnoseverfahren
vor der Schwangerschaft verwehrt werde, wenn eine schwere Erbkrankheit
drohe, sagte Randegger. Ein Verbot sei widersprüchlich, wenn die In-vitro-Fertilisation
zur Vermeidung von Erbkrankheiten zugelassen, die Methode zur Diagnose
der Erbkrankheiten aber verboten werde, ergänzte Christine Egerszegi
(FDP, Aargau). Es gehe um Familien, die bereits grosses Leid erfahren hätten,
begründete Brigitta Gadient (SVP, Graubünden) die Zustimmung
der Mehrheit der SVP.
"Ohne Verbot ist die Schleuse geöffnet für Kinder nach Mass",
trat Ruth Grossenbacher (CVP, Solothurn) den Befürwortern entgegen.
Welche schwere Erbkrankheit berechtige noch zum Leben, welche Krankheit
schaffe die Selektion nicht, fragte sie. Das Missbrauchspotential sei zu
gross; die Grenze zwischen Selektion und Diagnose werde verwischt, sagte
Weber. Gehöre die Methode zum Standard der Medizin, sinke die Hemmschwelle
für die Selektion immer tiefer, befürchtete Rosmarie Dormann
(CVP, Luzern). Die Befruchtung im Reagenzglas mache frühes menschliches
Leben im Reagenzglas verfügbar und damit auch besonders verletzlich,
sagte Bundesrat Arnold Koller. Zu befürchten seien zunehmend automatische
Selektionsentscheide. Es gebe Alternativen zur Präimplantationsdiagnose;
die Pränatal- und die Präimplantationsdiagnose dürften auch
nicht gleichgestellt werden. Der Rat entschied mit 72 zu 63 Stimmen für
das Verbot.
Restriktionen bei der Samenspende
Mit 87 zu 42 Stimmen lehnte er es ab, die künstliche Befruchtung mit
Samenzellen eines Dritten auch verheirateten Paaren nicht zu ermöglichen.
Damit folgte die grosse Kammer Bundesrat und Ständerat, welche das
"Kindeswohl" als Grundvoraussetzung für Fortpflanzungsverfahren ins
Gesetz schrieben. Wenn Reproduktionstechniken schon erlaubt würden,
dann müssten sie allen zugänglich sein, forderte Christine Goll
(SP, Zürich) vergeblich. Die künstliche Befruchtung mit Eizellen
und Samen der sozialen Eltern - die homologe Befruchtung - steht hingegen
auch Konkubinatspaaren offen. Der Nationalrat folgte auch in diesem Punkt
Bundesrat und Ständerat. Ein Antrag von Peter Föhn (SVP, Schwyz),
nur Ehepaare zuzulassen, scheiterte mit 72 zu 58 Stimmen. Ebenfalls vergeblich
bekämpfte die SP die Bestimmung, dass Fortpflanzungsverfahren nur
bei Paaren angewendet werden dürfen, die aufgrund ihres Alters und
ihrer persönlichen Verhältnisse bis zur Mündigkeit für
das Kind sorgen können. Bereits am Dienstag hat der Nationalrat beschlossen,
die Eispende zu verbieten; der Ständerat will sie für zulässig
erklären.
Spermien fünf Jahre lagern
Mit 61 zu 40 Stimmen entschied der Rat zudem, den Arzt zu verpflichten,
das Paar auch auf die Beratungsmöglichkeit bei anderen Fachstellen
hinzuweisen. Deutlich wandte er sich gegen eine Verpflichtung der Kantone,
für Beratungsstellen zu sorgen. Mit 61 zu 40 Stimmen hiess er gut,
dass ein Mann Spermien länger als fünf Jahre konservieren lassen
kann, wenn er eine Tätigkeit ausübt, die zu einer Schädigung
des Erbgutes führen kann. Als Beispiel wurde ein Katastropheneinsatz
in Tschernobyl erwähnt. (AP)