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08.06.98


"Bisher kam es nie zum Gentech-Unfall"

Bundesrat Pascal Couchepin stellt die vorgeschlagene Verjährungsfrist für Haftungsansprüche in der Gentechnologie in Frage.

Mit Bundesrat Pascal Couchepin sprachen Christina Leutwyler und Walter Niederberger

Das Volk schenkt Ihnen offenbar grosses Vertrauen bei der Gentechnologie. Wie wollen Sie ihm gerecht werden?

Wir haben die Ethikkommission eingesetzt. Sie ist sicher nicht einseitig wirtschaftsorientiert, denn es gibt darin keinen einzigen Vertreter der Wirtschaft. Wir haben auch die Arbeiten am Gen-Lex-Programm beschleunigt. Daran arbeiten wir nicht nur, weil das Volk es verlangt, sondern weil wir selbst davon überzeugt sind.

In der Versicherungsbranche gibt es bereits Widerstand gegen einen zentralen Punkt von Gen-Lex, nämlich die Verjährungsfrist von 30 Jahren für Haftpflichtansprüche. Werden Sie nachgeben?

Die Versicherungen haben nichts gegen lange Verjährungsfristen, wenn die Lösung praktikabel ist. Doch genau hier liegt das Hauptproblem.

Sie sind also bereit, bei den 30 Jahren nachzugeben?

Ich möchte dazu nichts sagen. Eine Haftung für etwas, das 30 Jahre zurückliegt, scheint mir ziemlich aussergewöhnlich. Je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger wird es, Beweise zu erbringen. Eine Gesellschaft muss gewisse Dinge verjähren lassen können. Wir verlangen von den Franzosen ja auch nicht, dass sie den Schatz zurückgeben, den sie in Bern gestohlen haben. Gewisse Risiken müssen kollektiv getragen werden.

Wir reden hier nicht von 200 Jahren, sondern von der Frage, ob die Verursacher auch dann haften müssen, wenn die Schäden erst spät spürbar werden.

Ich meine ja nicht, dass niemand haften soll. Man darf die Dauer auch nicht übertreiben. Denn Unternehmen werden gegründet und wieder aufgelöst. Die Diskussion rund um die Haftpflicht erweckt den Eindruck, es gebe ein grosses Risiko. Aber bisher kam es noch nie zu einem gentechnischen Unfall.

Das Gen-Lex-Programm sagt nichts zur Patentierung von Tierarten und Pflanzensorten, die heute noch generell verboten ist. Streben Sie jetzt in diesem Bereich eine Lockerung an?

Mich erstaunt die Haltung zu dieser Frage immer wieder. Bestreiten Sie das Recht, einen Hund oder eine Kuh zu besitzen?

Nein.

Wer die Patentierung von Tieren und Pflanzen bestreitet, müsste auch gegen das Recht sein, ein Lebewesen zu besitzen. Moralisch wiegt das Besitzrecht viel schwerer als die Patentierung.

Sie befürworten also die Patentierung von Tierarten und Pflanzensorten.

Gewiss.

Wann werden Sie das vorschlagen?

Die Regelung muss auf europäischer Ebene gefunden werden.

Sie werden sich also auf dieser Ebene dafür einsetzen?

Ja. Man darf nicht vergessen, dass Patente auch Vorteile haben. Erfindungen müssen beschrieben werden, und das ermöglicht eine Kontrolle.

Ihr Parteikollege Kaspar Villiger ist sehr erleichtert. Er hatte in den letzten Wochen nicht ausgeschlossen, dass sein Haushaltsziel scheitern könnte. Sind Sie selber vom klaren Resultat überrascht?

Überhaupt nicht. Gegen das Sparen kann doch im Ernst niemand stimmen.

Allerdings haben die Romands die Vorlage deutlich skeptischer beurteilt als die Deutschschweizer.

Die Romands haben ein distanzierteres Verhältnis zum Staat. Sie respektieren zwar seine äusseren Erscheinungen, die Würdenträger, die Fahnen und die Trommelwirbel. Doch sie betrachten ihn nicht wie ihren eigenen Haushalt, so wie das die Deutschschweizer tun.

Die Linke fürchtet, die Sozialwerke könnten zu Tode gespart werden. Welchen Kurs verfolgen Sie?

Ich will, dass die Schweiz ihre Staatsquote unter jener der umliegenden Länder halten kann. Das ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Allerdings sind gesunde Finanzen nicht ein Ziel des Staates an sich. Sondern vielmehr das Mittel, um mit dem Geld etwas Vernünftiges anzufangen.

Der Bundesrat hat heute dreimal Erfolg gehabt. Offenbar schenkt Ihnen das Volk grosses Vertrauen. Wie beurteilen Sie die Entscheide im Hinblick auf eine Abstimmung über die bilateralen Verhandlungen?

Nun können wir Schritt für Schritt aufbauen. Mein Traum ist, dass die EU-Kommission im Herbst die bilateralen Verträge akzeptiert. Gleichzeitig hoffen wir auf ein klares Ja zur leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe und ein Nein zur Kleinbauern-Initiative. So erhielten wir die volle Freiheit, die bilateralen Verhandlungen zum Abschluss zu bringen oder abzubrechen, ohne die Tür zur EU zuzuschlagen.


Resultattabellen auf einen Blick

Ausführliche Berichte zu den Abstimmungen und Wahlen finden Sie in den Ressorts Inland, Region und Stadt.


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